Section-Image

News aus der LP-Welt

Pressemeldungen, Auszeichnungen, Veröffentlichungen, Seminare - wir halten Sie informiert

Objektbetreuender Architekt und Bauunternehmer sind keine Gesamtschuldner!

BGH, Urteil vom 01.12.2022 – VII ZR 90/22

Wird ein mit der Objektbetreuung (Leistungsphase 9) beauftragter Architekt wegen eines hierbei nicht erkannten Mangels vom Bauherrn erfolgreich in Anspruch genommen, kann er im Nachgang keinen Gesamtschuldnerinnenausgleich von dem für den Mangel verantwortlichen ausführenden Unternehmer verlangen. Zwischen dem objektbetreuenden Architekten und dem ausführenden Unternehmer besteht kein Gesamtschuldverhältnis, weil es an der Gleichstufigkeit der Leistungen fehlt und daher kein Tilgungsverhältnis besteht.  

Grundsätzlich sind Architekt und ausführender Unternehmer Gesamtschuldnder (vgl. BGH NJW 1965, 1175). Dieser Grundsatz wurde mit dem seit dem 01.01.2018 geltenden „neuen“ Bauvertragsrecht auch gesetzlich in § 650t BGB verankert. Die Vorschrift gewährt dem wegen eines Überwachungsfehlers (Leistungsphase 8) in Anspruch genommenen Architekten ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Bauherr dem für den Mangel verantwortlichen ausführenden Unternehmer nicht vorab erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Teilen Architekt und ausführender Unternehmer das Schicksal der Gesamtschuld, kann derjenige, der vom Bauherrn in Anspruch genommen wird, gegenüber seinem Schicksalsgenossen im Nachgang einen Gesamtschuldnerinnenausgleich verlangen.   

Der BGH hat in seiner aktuellen Entscheidung klargestellt, dass dieser Grundsatz dann nicht gilt, wenn der Architekt nur wegen eines Fehlers im Rahmen seiner Objektbetreuungsleistung (Leistungsphase 9) durch den Bauherrn in Anspruch genommen wird. In dieser Konstellation fehlt es an einer Gleichstufigkeit der jeweiligen Verpflichtungen und damit an einer Tilgungsgemeinschaft des objektbetreuenden Architekten und des ausführenden Unternehmers mit der Folge, dass der in Anspruch Genommene sich im Nachgang nicht mittels Gesamtschuldnerinnenausgleichsanspruch gegenüber dem Unternehmer schadlos halten kann, der die mangelhafte Leistung ausgeführt hat.

Im vorliegenden Fall war der Architekt zwar ursprünglich für Leistungen aller Leistungsphasen (1 – 9) beauftragt, hat sich allerdings seine Leistungen bis einschließlich Leistungsphase 8 durch den Bauherrn teilabnehmen lassen. Dies hatte zur Folge, dass die Gewährleistungsfrist für die teilabgenommenen Leistungen im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch den Bauherrn bereits abgelaufen war und der Bauherr den Architekten ausschließlich wegen einer Pflichtverletzung im Rahmen der noch nicht verjährten Objektbetreuungspflicht erfolgreich in Anspruch nehmen konnte. In dem von dem BGH entschiedenen Anschlussprozess nahm der Architekt den für den ausführenden Unternehmer in Anspruch und verlangte einen Gesamtschuldnerinnenausgleich. Sowohl die Vorinstanzen als auch der BGH wiesen den Anspruch zurück, weil in dieser Konstellation kein Gesamtschuldverhältnis bestand. Der Bauherr hatte gegenüber dem Architekten einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbegehungspflicht gemäß § 634 Nr. 4 BGB geltend gemacht, der nicht auf der gleichen Stufe steht wie die Mängelrechte des Bauherrn gegenüber dem ausführenden Unternehmer. Voraussetzung einer gesamtschuldnerischen Haftung ist aber, dass zwischen den Haftenden aufgrund der Gleichstufigkeit der Verpflichtungen eine Tilgungsgemeinschaft besteht. Diese fehlt, wenn der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung nachrangig ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 429/19).  

Hätte der Architekt – hier vertreten durch seinen Haftpflichtversicherer – im Vorprozess gegenüber dem Bauherrn nicht die Einrede der Verjährung bezüglich seiner Teilleistungen aus den Leistungsphasen 1 – 8 erhoben, wäre seine Inanspruchnahme nicht auf die nachrangige Verpflichtung der Objektbetreuung beschränkt und die Geltendmachung des Gesamtschuldnerinnenausgleichsanspruchs dem Grunde nach möglich gewesen.

Autor

Hauke Meyhöfer

Hauke Meyhöfer

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Kai Linnemannstöns: Überspannte Anforderungen: Zur Darlegung beim Gesamtschuldnerausgleich zwischen Planer und Bauunternehmer

     

  • Tobias Köhler: Eine fehlende Planung ist keine fehlerhafte Planung