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Geräusche im niederfrequentierten Bereich stellen keinen Mangel im Rechtssinne dar!

OLG München, Urteil vom 08.08.2017 – 9 U 3652/16 Bau

Ein Bauträger errichtet eine Mehrfamilienhausanlage mit insgesamt 62 Wohneinheiten. Der Erwerber (E) einer Eigentumswohnung rügt nach Abnahme des Sonder- und Gemeinschaftseigentums Geräusche aus der oberhalb gelegenen Wohnung, die sich im niederfrequentierten Bereich (unter 100 Hz) befinden und bei normalen Gehbewegungen seiner Nachbarn zu hören seien. Aufgrund eines von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens wird festgestellt, dass die gemessenen Dröhngeräusche maximal 63 Hz erreichen und damit nicht von den Schallschutzstufen II und III der VDI 4100 erfasst sind, weil diese nur Geräusche ab einer Frequenz von 100 Hz regeln. Nachdem E von der Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt wurde, klagt er gegen den Bauträger auf Mängelbeseitigung und beantragt hilfsweise eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von EUR 100.000,00. Das Landgericht München holte zwei Gutachten zu den Geräuschen ein, hörte die Sachverständigen an und nahm die Wohnung in Augenschein. Es wies die Klage des E ab, weil die Wohnung auch bei Geräuschen im niederfrequentierten Bereich nicht funktionsuntauglich sei und auch die im Prospekt beworbene „hochwertige Ausstattung“ und „ruhige Innenhoflage“ nicht berührt seien.

Der E legte gegen die Entscheidung des Landgerichts München Berufung ein. Das OLG München wies diese zurück und folgt der Auffassung des Landgerichts. Zur Begründung führte es aus, dass die vom Erwerber wahrgenommenen Geräusche beim Begehen der über seiner Wohnung liegenden Wohnung keinen Mangel im Sinne von § 633 BGB a.F. begründen und daher auch die geltend gemachten Mängelbeseitigungsansprüche nicht zur Anwendung kommen. Dabei ist das OLG zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem vom Erwerber behaupteten Geräuschen um solche im sogenannten niederfrequentierten Bereich handele. Die Messungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen habe Werte von unter 100 Hz ergeben, bei denen von niederfrequentierten Geräuschen gesprochen werde. Solche Geräusche, die auch als „Estrichdröhnen“ bezeichnet werden, würden von Hörern unterschiedlich wahrgenommen, weil es sich um subjektiv wahrnehmbare Geräusche handele, die außerhalb der Schallbereiche der von der VDI Norm 4100 umfassten Frequenzbereiche liegen. Aufgrund eines Augenscheinstermins des OLG kam dieses zu der Überzeugung, dass die Geräusche unterschiedlich wahrgenommen werden. Das OLG lehnte das Vorliegen eines Mangels im Sinne des § 633 BGB a.F. ab, weil die erbrachte Bauleistung nicht von der vertraglich geschuldeten abweiche. Der Senat stellte klar, dass auch durch Angaben in der Baubeschreibung wie „erhöhter Schallschutz gemäß DIN 4109, Beiblatt 2, zwischen Wohneinheiten“ keine Beschaffenheitsvereinbarung bzgl. Geräuschen im niederfrequentierten Bereich geschlossen worden sei. DIN-Normen erfassen nämlich nur Werte ab 100 Hz. Zudem liege auch kein Mangel vor, weil die Wohnung sich trotz der niederfrequentierten Geräusche für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne.

Fazit

Das OLG München hat den Mangelbegriff systematisch herangezogen, um die von dem E wahrgenommenen Geräusche rechtlich zu bewerten. Der Senat ist dabei zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verstoß gegen die allgemein anerkannt Regeln der Technik nicht angenommen werden kann, wenn diese den Bereich der gemessenen Geräusche nicht erfassen. Die Auffassung des OLG München überzeugt gerade deshalb, weil sie mit der Rechtsprechung des BGH kongruiert. Der BGH hat im Zusammenhang mit Streitigkeiten von Wohnungseigentümern klargestellt, dass sich der Schallschutz nach den Werten der maßgeblichen DIN-Norm richtet und nicht nach der bloßen Lästigkeit von Geräuschen (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2015, V ZR 73/14).

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

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