Section-Image

Öffentlicher Auftraggeber durch mehr als 50% staatliche Subventionierung

Für die Beantwortung der Frage, ob eine Baumaßnahme zu mehr als 50% aus öffentlichen Mitteln subventioniert und der jeweilige Auftraggeber damit gemäß § 98 Nr. 4 GWB zum öffentlichen Auftraggeber wird, kommt es nicht auf eine umfassende Betrachtung des Gesamtvorhabens an, sondern nur auf die vom jeweiligen Einzellos umfassten Positionen. Dies hat die 1. Vergabekammer des Bundes in ihrem Beschluss vom 16.11.2018 (VK 1-99/18) festgestellt.

Eine Handwerkskammer (Ag) wollte ein neues Zentrum für Bildung und Konferenzen erbauen lassen. Während der Gebäudeteil für das Bildungszentrum mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde, sollte der Konferenz- und Fremdvermietungsbereich aus eigenen Mitteln realisiert werden. Für diesen Teil schrieb die Ag die Beschaffung von Veranstaltungstechnik im offenen Verfahren europaweit aus. Ein Bieter (ASt) leitete, nachdem ihm die Ag im Wege der Vorabinformation mitgeteilt hatte, dass sein Angebot keinen Erfolg haben werde, aus verschiedenen Gründen ein Nachprüfungsverfahren ein.

Die Vergabekammer stellte fest, dass die Ag grundsätzlich kein öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 – 3 GWB ist. Allerdings kann die Ag für das hier in Rede stehende Beschaffungsvorhaben öffentlicher Auftraggeber sein, wenn der Auftrag Teil eines Bauprojekts ist, welches zu mehr als 50 Prozent von staatlichen Stellen subventioniert wird. In diesem Falle wäre die Ag nach § 99 Nr. 4 GWB projektbezogen öffentlicher Auftraggeber und müsste daher für diese Baumaßnahme Vergaberecht beachten. Fraglich ist jedoch, ob sich die Stellung als öffentlicher Auftraggeber auf das Gesamtbauvorhaben bezieht, oder nur auf die tatsächlich subventionierten Lose. Hier war allein ein Gebäudeteil mit öffentlichen Mitteln gefördert wor-den, während der andere Teil aus Eigenmitteln finanziert wurde. Für diesen zweiten Teil, den Konferenzbereich, war auch die Veranstaltungstechnik bestimmt, deren Beschaffung Gegenstand des Vergabeverfahrens war.

Hierzu stellte die Vergabekammer fest, dass es nicht auf eine umfassende Betrachtung des Gesamtvorhabens (hier: Neubau eines Bildungs- und Konferenzzentrums) bzw. aller Einzellose, sondern nur auf die vom jeweiligen Einzellos umfassten Positionen ankomme. Zwar sei es Zweck des § 99 Nr. 4 GWB, die Verwendung öffentlicher Gelder nicht nur dann an die Vorgaben des Vergaberechts zu binden, wenn die Gebietskörperschaften und sonstigen öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 99 Nr. 1-3 GWB unmittelbar selbst Auftraggeber sind, sondern auch dann, wenn sie die ihnen zur Verfügung stehenden Geldmittel über Subventionen an Dritte weiterleiten und so nur noch indirekt an der Ausschreibung beteiligt sind. Dies gelte allerdings ausdrücklich erst ab einer Schwelle von über 50 %. Würde bei einer losweisen Beschaffung von subventionierten und nicht subventionierten Teilleistungen auf eine Gesamtbetrachtung abgestellt, könnte dies dazu führen, dass auch Einzelaufträge, die zu 100 % aus Eigenmitteln der ausschreibenden Stelle bezahlt werden, dem Vergaberecht unterstellt würden, "nur" weil der AG für andere Vorhaben, die er im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang ausführen lässt, öffentliche Fördermittel erhält. Sofern sich also, wie im vorliegenden Fall, aus den Förderbescheiden ergibt, dass bestimmte Teile eines Gesamtvorhabens von der Förderung ausgeschlossen sind, diese also vollständig aus Eigenmitteln des Auftraggebers bezahlt werden, entfällt mangels (jedenfalls indirekter) Beteiligung eines öffentlichen Auftraggebers i.S.d. Nr. 1 - 3 des § 99 GWB an diesen Teilaufträgen auch der Grund, die Ausschreibung eines privaten Auftraggebers dem Reglement des Vergaberechts zu unterwerfen.

Die differenzierte Sicht der Vergabekammer überzeugt. Ein Auftraggeber, dessen Bauvorhaben teilweise mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, sollte daher sicherstellen, dass im betreffenden Zuwendungsbescheid deutlich erkennbar wird, für welche Teile der Baumaßnahme Zuwendungen bereitgestellt werden. Allein für diese Teile hat der Auftraggeber dann das Vergaberecht anzuwenden.

 

Autor

Dr. Oliver Homann

Dr. Oliver Homann

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Dr. Martin Büdenbender: „Outsourcing“ der Angebotsöffnung grundsätzlich zulässig!

     

  • Malte Offermann: Zulässigkeit der Abgabe mehrerer Hauptangebote