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E-Vergabe: Alles unwirksam? Derzeitige Softwarelösungen im Hinblick auf § 134 GWB nicht vergaberechtskonform!

JD - VK Südbayern Beschluss vom 29.03.2019 - Z3-3-3194-1-07-0319

Das Bereitstellen der Vorabinformationsschreiben auf einer Plattform ersetzt nach Auffassung der VK Südbayern (Beschluss vom 29.03.2019 - Z3-3-3194-1-07-03/19) keinen Versand, sodass die Bieterschutzfrist nicht zu laufen beginnt.

Eine der ersten Entscheidungen zur E-Vergabe sorgt derzeit unter Praktikern, insbesondere auf Auftraggeberseite, für Furore: Nach Auffassung der VK Südbayern leidet nämlich derzeit praktisch jedes gängige Vergabemanagementsystem an einem schwerwiegenden Mangel: Die Vorabinformationsschreiben gemäß § 134 GWB werden zwar auf der Plattform bereitgestellt, jedoch nicht an den Bieter versandt, sodass die Stillhaltfrist, die vor Zuschlagserteilung zwingend abzuwarten ist, nicht zu laufen beginnt.

Im entschiedenen Fall verwandte die Antragsgegnerin ein Vergabemanagementsystem, das ein integriertes Bieterpostfach umfasst, auf das die Bieter, nach entsprechender Anmeldung mit ihren Benutzerdaten, Zugriff haben. Derartige Bieterpostfächer sind grundsätzlich darauf ausgelegt, dass sämtliche Kommunikation „medienbruchfrei“ über die Nachrichtenfunktion abgewickelt werden kann. Entsprechend nutzte die Antragsgegnerin die Nachrichtenfunktion der Vergabeplattform auch zum Versand des Vorabinformationsschreibens gemäß § 134 GWB und informierte die unterlegenen Bieter durch Einstellung einer Vorabinformation im Bieterbereich.

Unmittelbar nach Freischaltung der Nachricht auf der Plattform erhielten die Bieter eine automatisierte Benachrichtigung per E-Mail darüber, dass eine neue Nachricht im „Postfach“ auf der Vergabeplattform bereitstehe, die nunmehr abgerufen werden könne. Über den Inhalt der Nachricht wurde jedoch nicht informiert, sodass eine Kenntnisnahme von der Nachricht durch den Bieter voraussetzt, dass dieser sich entsprechend auf der Plattform einloggt und die Nachricht „abholt“.

Diese Lösung ist nach zutreffender Auffassung der VK Südbayern vergaberechtswidrig!

Gemäß § 134 Abs. 2 GWB beginnt die Stillhaltefrist erst am Tag „nach Absendung der Information“ zu laufen, sodass die VK Südbayern mit guten Gründen entschied, dass ein Bereitstellen bzw. ein bloßes Freischalten einer Nachricht auf einer Plattform und ein hiermit einhergehendes Abholungserfordernis zum Zwecke der Kenntnisnahme durch den Bieter, den Anforderungen an eine „Absendung“ in Richtung des Bieters nicht genügt. Weiterhin bemängelte die VK die Nichteinhaltung der Textform, denn diese sei allenfalls dann gewahrt, wenn es tatsächlich zum Download der Nachricht von der Plattform und damit zu einer dauerhaften Speicherung beim Bieter komme.

Die automatisierte E-Mail Benachrichtigung darüber, dass eine neue Nachricht zum Download bereitstehe, genügt ebenfalls nicht:

Insofern genügt eine E-Mail zwar grundsätzlich den Anforderungen an die Textform und sie wird auch an den Bieter versandt; die an den Bieter zur Ingangsetzung der Stillhaltefrist abzusendende Vorabinformation muss jedoch zumindest die in § 134 Abs. 1 S. 1 GWB aufgezählten Informationen enthalten. Diese Informationen enthält die automatisierte Benachrichtigung jedoch gerade nicht.

Praxistipp

Einen entsprechenden „Kommunikationsbereich“ halten nahezu sämtliche Softwarelösungen vor, sodass davon auszugehen ist, dass die Entscheidung Auswirkungen auf einen Großteil der Vergaben entfaltet, die über entsprechende Plattformen abgewickelt wurden.

Vergaberechtliche Konsequenzen, insbesondere eine in Form einer möglichen Feststellung der Unwirksamkeit gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB, können sich derweil nur binnen der Fristen des § 135 Abs. 2 GWB ergeben, da die Unwirksamkeit nach Ablauf dieser Fristen nicht mehr im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens festgestellt werden kann. Gleichwohl empfiehlt es sich bis auf weiteres die Vorabinformationsschreiben weiterhin „konventionell“, also per E-Mail bzw. per Fax, zu übermitteln. Dies zumindest solange, bis die Softwareanbieter entsprechend reagieren.

Autor

Jonas Deppenkemper

Jonas Deppenkemper

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