Section-Image

News aus der LP-Welt

Pressemeldungen, Auszeichnungen, Veröffentlichungen, Seminare - wir halten Sie informiert

„Sicher ist besser“ - der Blick in das Handelsregister bei drohender Verjährung

KG, Urt. v. 12.12.2023 – 21 U 47/22

Soll die Klageerhebung den Eintritt der Verjährung hemmen, gehört es nach Auffassung des Kammergerichts zu den prozessualen Sorgfaltspflichten des Klägers, sich bei Klageerhebung über die zustellfähige Adresse des Beklagten zu erkundigen (z.B. durch einen Blick in das Handelsregister). Unterlässt der Kläger diese Kontrolle, nimmt von dem Geschäftssitzwechsel des Beklagten keine Kenntnis und verzögert sich deshalb die Zustellung der Klage, kann dies dazu führen, dass in der Zwischenzeit Verjährung eintritt, weil keine Zustellung „demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO vorliegt.

Der Fall

Die Klägerin (Nachunternehmer) macht gegen die Beklagte (Auftragnehmer) Vergütungsansprüche im Zusammenhang mit einem im Jahr 2014 vorzeitig beendeten Bauvertrag geltend. Zunächst wurde das Bauvorhaben im September 2015 mit einer ersten Schlussrechnung abgerechnet. Gegenstand der ersten Schlussrechnung sind Vergütungsansprüche für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen. Mitte Januar 2016 wies die Beklagte die Schlussrechnung als unbegründet zurück. Zum Jahreswechsel 2015/2016 verlegte die Beklagte ihren Geschäftssitz, ohne dies der Klägerin mitzuteilen. Allerdings wurde der Geschäftssitzwechsel am 05.01.2016 im Handelsregister eingetragen. Nach der Zurückweisung der Schlussrechnung herrschte zwischen den Parteien über zwei Jahre und zehn Monate „Funkstille“. Sodann legte die Klägerin am 22.11.2018 eine neue Schlussrechnung, mit der eine Vergütung sowohl für die erbrachten als auch für die in Folge der vorzeitigen Vertragsbeendigung nicht erbrachten Leistungen verlangt wird. Unmittelbar im Anschluss daran reichte die Klägerin am 28.11.2018 Klage vor dem LG Berlin ein. Die Zustellung der Klageschrift scheiterte am 23.01.2019, weil die Beklagte unter der mit der Klageschrift angegebenen Adresse nicht erreichbar war. Nachdem das LG Berlin die aktuelle Anschrift der Beklagten ermittelt hatte, wurde die Zustellung am 22.02.2019 nachgeholt. Die Beklagte beruft sich u.a. auf Verjährung. Das LG Berlin ist der Auffassung, dass keine Verjährung gegeben sei. Allerdings wurde die Klage dennoch weitestgehend abgewiesen, u.a. weil der abgerechnete Leistungsstand nicht nachgewiesen und die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Beklagte beruft sich auch in zweiter Instanz auf Verjährung.

Die Entscheidung

Zu Recht! Das KG weist die Berufung der Klägerin zurück. Zur Begründung heißt es, dass die Schlussrechnungsforderung mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt sei. Das Einreichen der Klageschrift bei Gericht am 28.11.2018 habe den Eintritt der Verjährung nicht wirksam gem. § 204 I Nr. 1 BGB hemmen können, weil in Folge der Verzögerungen bei der Zustellung der Klageschrift keine Zustellung „demnächst“ i.S.d. 167 ZPO gegeben sei. Für die Verzögerungen sei die Klägerin verantwortlich, weil sie mit der Klageschrift eine nicht mehr aktuelle Anschrift der Beklagten angegeben habe und sie im Rahmen sorgfältiger Prozessführung gehalten gewesen sei, die Anschrift der Beklagten zu überprüfen. Dies insbesondere deshalb, weil seit dem letzten Kontakt der Parteien zwei Jahre und zehn Monate vergangen seien, ein Geschäftssitzwechsel in dieser Zeit nicht ungewöhnlich sei und die aktuelle Anschrift der Beklagten bereits seit dem 05.01.2016 im Handelsregister eingetragen sei. Hinzu komme, dass die Klägerin eine besondere Sorgfaltspflicht bezüglich der konkreten Anschrift trage, weil der Beklagten die neue Schlussrechnung bis zum 22.11.2018 nicht bekannt gewesen und bereits am 28.11.2018 die Klage eingereicht worden sei. Es sei die Pflicht der Klägerin gewesen, die Beklagte vor Klageerhebung über die Unvollständigkeit der ersten Schlussrechnung aus 2015 in Kenntnis zu setzen und den Zugang der neuen Schlussrechnung zu kontrollieren. Demgegenüber sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin den Geschäftssitzwechsel anzuzeigen, weil das Vertragsverhältnis bereits im Jahr 2014 beendet und sodann im Jahr 2015 schlussabgerechnet worden sei.

Das KG hat die Revision wegen grundlegender Bedeutung zu den Annahmen zu einer demnächst erfolgten Zustellung im Sinne von § 167 ZPO zugelassen, § 543 II ZPO. Das Revisionsverfahren wird vor dem BGH unter dem Aktenzeichen VII ZR 240/23 geführt.

Fazit

Vorsicht bei drohender Verjährung! Der Kläger ist gut beraten, sich vor Klageerhebung Kenntnis über die aktuelle zustellfähige Adresse des Beklagten zu verschaffen, um Verzögerungen bei der Klagezustellung möglichst zu vermeiden. Bei juristischen Personen kann dies unkompliziert und kostenneutral durch einen Blick in das Handelsregister erfolgen.

Autor

Dr. Danilo Rosendahl

Dr. Danilo Rosendahl

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Tobias Köhler: Werden mehrere Gewerke eines Neubaus sukzessive beauftragt, liegt kein Verbraucherbauvertrag vor

     

  • Christian Kirschberger: Wer schreibt, der bleibt – und wer „WhatsAppt“ riskiert die Verjährung!