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Werden mehrere Gewerke eines Neubaus sukzessive beauftragt, liegt kein Verbraucherbauvertrag vor

BGH, Urt. v. 26.10.2023, VII ZR 25/23

Der BGH festigt die Rechtsprechung zur Abgrenzung des Verbraucherbauvertrages. Hatte er bereits Anfang des vergangenen Jahres (Urt. v. 16.03.2023, VII ZR 94/22) entschieden, dass die Beauftragung eines einzelnen Gewerkes nicht ausreiche, um als „Bau eines Gebäudes“ einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1 BGB zu charakterisieren, stellt er nunmehr klar, dass dies auch dann gilt, wenn der Auftragnehmer sukzessive mit mehreren Einzelgewerken innerhalb desselben Neubauprojektes beauftragt wird.

Sachverhalt

Der beklagte Auftraggeber erteilte der klagenden Auftragnehmerin im Mai 2017 den Auftrag zur Durchführung von Rohbauarbeiten innerhalb des Neubaus eines Bürogebäudes, das er als private Altersvorsorge zu errichten plante. Nachdem diese Arbeiten fertiggestellt und schlussgerechnet worden waren, beauftragte der Auftraggeber die Auftragnehmerin im Jahre 2018 zusätzlich sukzessive mit der Verlegung des Estrichs, mit der Ausführung von Trockenbauarbeiten, mit Zimmererarbeiten und mit verschiedenen Stundelohnarbeiten. Die Auftragnehmerin erstellte hierüber eine zusammenfassende Schlussrechnung.

Hinsichtlich des sich aus dieser Schlussrechnung ergebenden Betrages machte die Auftragnehmerin klageweise einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gem. § 650f BGB geltend.

Die entscheidende Frage war hier: Liegt ein Verbraucherbauvertrag vor? Wäre dies der Fall, wäre der Anspruch der Auftragnehmerin auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gem. § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen; innerhalb eines Verbraucherbauvertrages kann der Auftragnehmer keine Bauhandwerkersicherung verlangen. Läge jedoch ein „normaler“ Bauvertrag vor, wäre der Anspruch begründet und der Klage stattzugeben.

Das in erster Instanz zur Entscheidung berufene Landgericht Düsseldorf erkannte den Bauhandwerkersicherungsanspruch der Auftragnehmerin an, ebenso das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht: Der Anspruch gem. § 650f BGB sei nicht ausgeschlossen, da es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht um einen Verbraucherbauvertrag handele.  Zwar habe der Auftraggeber hier als Verbraucher gehandelt, da er das Gebäude zu seiner privaten Altersvorsorge errichtet habe. Die Auftragnehmerin sei jedoch nicht mit dem „Bau eines neuen Gebäudes“ beauftragt worden, wie es § 650i Abs. 1 BGB für Verbraucherbauverträge voraussetze. Sie habe stattdessen nur einzelne Teilgewerke des Neubaus ausgeführt. Dies gelte selbst dann, wenn man alle letztendlich von ihr ausgeführten Gewerke gemeinsam betrachte. 

Die Auftragnehmerin begehrt hiergegen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiterhin die Klageabweisung.

Entscheidung des BGH

Ohne Erfolg. Der BGH hält den Anspruch der Auftragnehmerin auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung für begründet, da auch er meint, zwischen den Parteien sei kein Verbraucherbauvertrag geschlossen worden.

Hierzu verweist der BGH zunächst auf seine insoweit wegweisende Entscheidung aus dem März 2023 (Urt. v. 16.03.2023, VII ZR 94/22), der gemäß es zur Erfüllung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrags nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB ("Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird") nicht genüge, dass ein Auftragnehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes übernehme. Die vom Auftragnehmer als Erfolg geschuldete Herstellung des versprochenen Werkes müsse vielmehr in dem Bau eines neuen Gebäudes bestehen, wofür es nicht ausreiche, einen Erfolg zu versprechen, der lediglich auf einen Teil des Baus eines neuen Gebäudes beschränkt sei.

Auch im vorliegenden Fall, in dem die Auftragnehmerin sukzessive mit verschiedenen Gewerken, die zum Neubau des Gebäudes erforderlich waren, beauftragt wurde, hält der BGH den Tatbestand des § 650i Abs. 1 BGB nicht für erfüllt. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB handele, komme es nämlich nicht auf die Gesamtheit aller dem Auftragnehmer sukzessive im Verlauf der Bauarbeiten erteilten selbständigen Aufträge an. Dies folge bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach jeder selbständige Vertrag nach seinem Inhalt und den für diesen Vertrag geltenden Maßstäben zu beurteilen sei.

Wolle man im Falle sukzessiver Beauftragungen alle beauftragten Gewerke insgesamt in den Blick nehmen, könnten die Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrags erst in dem Moment vorliegen, in dem ein Vertrag geschlossen werde, der zusammen mit den zuvor geschlossenen Verträgen Verpflichtungen begründe, die als Bau eines neuen Gebäudes zu qualifizieren wären. Somit würde der letzte Vertragsschluss auf die vorherigen zurückwirken und deren Qualifikation vom „normalen“ Bauvertrag zum Verbraucherbauvertrag ändern. Einer solchen Rückwirkung stünden jedoch die Gebote der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes entgegen. Es sei ausgeschlossen, der Vorschrift des § 650i Abs. 1 BGB die Wirkung einer derartigen rechtlichen Umgestaltung der bis zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge zu entnehmen.

Es komme im zu entscheidenden Fall somit gar nicht darauf an, ob die Verpflichtungen aus den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen insgesamt ausreichen würden, um anzunehmen, dass sie den "Bau eines neuen Gebäudes" umfassen. Da die entsprechende Beauftragung sukzessive und innerhalb einzelner, allein für sich selbst zu betrachtender Verträge erfolgte, könne nach den vorstehend getätigten Ausführungen jedenfalls nicht von einem Verbraucherbauvertrag ausgegangen werden.

Fazit

Die hier gegenständliche Entscheidung festigt die in der Grundsatzentscheidung des BGH (Urt. v. 16.03.2023, VII ZR 94/22) begründete Rechtsprechung zur Abgrenzung des Verbraucherbauvertrages. Der BGH hatte seinerzeit entgegen anderweitiger Tendenzen in der Rechtsprechung (siehe etwa OLG Hamm, Urt. v. 27.05.2021, I-24 U 198/20) klargestellt, dass die Beauftragung eines Einzelgewerkes nicht der Verpflichtung zum Neubau „eines Gebäudes“ entspreche und es sich somit dem klaren Wortlaut des § 650i Abs. 1 BGB nach nicht um einen Verbraucherbauvertrag handeln könne. Auch eine entsprechende Anwendung des § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB scheide aufgrund des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke aus. Obschon diese Ansicht des BGH in der Literatur Kritik erfahren hat (vgl. nur Meier/Getcosgun/Bücken, NZBau 2023, 503), ist sie bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 650i Abs. 1 BGB, auf den § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB verweist, nach derzeitiger Rechtslage vorzugswürdig.

Insofern ist es konsequent, wenn der BGH diese Rechtsprechung nunmehr auf die sukzessive Beauftragung von Einzelgewerken ausdehnt und auch insofern die Qualifikation des Verbraucherbauvertrages verneint. Dies gilt erst recht, wenn man hier die zusätzlichen Bedenken zu einer Rückwirkung der Qualifikation als Verbraucherbauvertrag bedenkt, auf die die BGH in seiner Entscheidung näher eingeht.

Beim Vertragsschluss mit Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB ist somit genaues Hinsehen geboten: Bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung handelt es sich im Hinblick auf die Rechtsfolgen der unterbleibenden oder auch verspäteten Stellung einer Sicherheit (siehe § 650f Abs. 5 BGB) um ein scharfes Schwert des Auftragnehmers. Dies gilt umso mehr, da die schlüssige Darlegung des zu sichernden Anspruchs ausreicht, um den Anspruch aus § 650f BGB zu begründen. Selbst wenn der zu sichernde Vergütungsanspruch streitig ist, kann der Auftragnehmer die Sicherung des gesamten von ihm dargelegten Vergütungsanspruchs verlangen (BGH, Urt. v. 06.03.2014, VII ZR 349/12). Insofern ist der Auftragnehmer gut beraten, dieses scharfe Schwert gegebenenfalls zu nutzen, da es ihm gegebenenfalls auch gegen seinen Vertragspartner, der Verbraucher ist, zur Verfügung steht.

Autor

Tobias Köhler

Tobias Köhler

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