Section-Image

News aus der LP-Welt

Pressemeldungen, Auszeichnungen, Veröffentlichungen, Seminare - wir halten Sie informiert

Ist ein entgegen den anerkannten Regeln der Technik errichtetes Bauwerk mangelhaft, obgleich es funktionstauglich ist?

OLG Brandenburg Urteil vom 28.9.2023 - 10 U 21/23 = BeckRS 2023, 27636

Wenn eine Werkleistung entgegen den anerkannten Regeln der Technik ausgeführt wurde, ist darin kein Mangel zu sehen, wenn sich der Verstoß nicht nachteilig auswirkt und Gebrauchsnachteile nicht erkennbar sind. Auch wenn der Auftragnehmer ein anderes als vereinbartes Baumaterial verwendet, liegt darin kein Mangel begründet, wenn das vereinbarte Baumaterial für den konkreten Verwendungszweck ungeeignet ist.

Der Fall

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus einem Werkvertrag. Gegenstand des Vertrages war die Herstellung einer Horizontalsperre zur Abdichtung eines Einfamilienhauses. Die Klägerin begehrt die Zahlung ihres Werklohns. Die Beklagte wendet ein, dass die Leistung der Klägerin mangelhaft ist, da sie gegen die anerkannten Regeln der Technik verstößt. Es wurden entgegen der einschlägigen und maßgeblichen Ausführungsvorschriften keine Voruntersuchungen bzw. keine Bauzustandsanalysen durchgeführt und in diesem Zuge insbesondere keine Feststellungen zum Durchfeuchtungsgrad der einzelnen Bauteile getroffen. Außerdem hat die Unternehmerin einen anderen als in ihrem Angebot konkret benannten Baustoff verwendet. Das OLG kann keine Mängel feststellen und weist die Klage ab.

Die Entscheidung

Ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik liegt zwar vor. Ein solcher Verstoß stellt auch grundsätzlich einen Mangel dar. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Verstoß sich nicht nachteilig ausgewirkt hat und Gebrauchsnachteile nicht erkennbar sind (OLG Stuttgart BeckRS 2006, 14745). Die beweisbelastete Unternehmerin konnte nachweisen, dass negative Folgen nicht zu befürchten sind. Ein Mangel ist auch nicht darin zu sehen, dass statt des angebotenen (ungeeigneten) Baustoffes ein anderer verwendet wurde. Nach einer Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB wurde über die konkrete Verwendung des Baustoffes keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Vielmehr steht der werkvertraglich geschuldete Erfolg im Vordergrund, dass im Interesse der Beklagten dahingehend zu verstehen ist, dass der Keller erfolgreich durch die Horizontalsperre, der tatsächlich erzielt wurde. Dies wäre hingegen mit dem vereinbarten Baustoff nicht erfolgreich möglich gewesen.

Fazit

Die Lösung des Falles und ihre Herleitung sind wenig überzeugend und keineswegs als allgemeine Grundsätze zu verstehen, wenngleich sie für den konkreten Einzelfall noch vertretbar sein mögen. Denn es entspricht der herrschenden Meinung, dass jeder Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik einen Mangel darstellt (OLG Karlsruhe BeckRS 2015, 15664; OLG Düsseldorf BeckRS 9998, 14188; OLG Koblenz BeckRS 2016, 136796). Denn die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik ist selbst eine geschuldete Beschaffenheit (BGH NJW 1998, 2814; BGH NJW-RR 2000, 309).

Die Vertragsauslegung zum angebotenen, aber nicht verbauten Material ist ebenso streitbar. Denn vielmehr entsteht durch die Vereinbarung des ungeeigneten Baustoffes einerseits und dem geschuldeten Werkerfolg andererseits eine sich widersprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Diesen Widerspruch kann der Unternehmer nur dadurch auflösen, indem er Bedenken anzeigt.

Autor

Nicolas Störmann

Nicolas Störmann

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.: Ohne Rechnung – dann auch ohne Gewährleistungsrechte!

     

  • Christian Kirschberger: Ein Architekt, der für den Auftraggeber eine Skontoklausel für Bauverträge entwirft, verstößt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. BGH, Urteil vom 09.11.2023 - VII ZR 190/22

     

  • Marie Dins: Mängelansprüche können nur entlang der Leistungskette geltend gemacht werden