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Auch Anwälte müssen vollständige Referenzangaben machen

Über die Vereinbarkeit der Verschwiegenheitspflicht des Anwalts und der Vorlage von Referenzen als Eignungskriterium hatte die Vergabekammer des Bundes kürzlich entschieden (Beschluss vom 01.06.2023 – VK 1-37/23). Dabei wurde auch untersucht, ob anonymisierte Angaben über bisherige Rechtsberatungsleistungen den Anforderungen der Vergabegrundsätze genügen.

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber schrieb eine Rahmenvereinbarung für Rechtsberatungsleistungen im Wege eines europaweiten Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus. Zur Bewertung der Eignung der Teilnehmer forderte er die Vorlage von sowohl allgemeinen als auch spezielle Referenzen. Die Liste der allgemeinen Referenzen sollte knappe Informationen über den Inhalt der erbrachten Leistungen, Angaben zum jährlichen Nettoauftragsvolumen, zum Zeitraum der Leistungserbringung sowie zum Auftraggeber (einschließlich Kontaktdaten) umfassen. Die spezielle Referenzliste sollte ausführliche Beschreibungen der erbrachten Leistungen für mindestens drei umfangreiche Mandanten enthalten als auch die identischen Angaben wie sie in der allgemeinen Referenzliste gefordert wurden.

Die Antragstellerin hält das Wertungskriterium "Referenzen" (mit einer Gewichtung von 50 %) für vergaberechtswidrig, da es als diskriminierend gemäß § 97 Abs. 2 GWB und als unverhältnismäßig gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB betrachtet wird. Zudem verstoße es gegen die BRAO (Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO) und das StGB (Anstiftung zur Verletzung von Beruf- und Geschäftsgeheimnissen gemäß §§ 26, 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Die Offenlegung des Auftraggebers könne nicht mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant in Einklang gebracht werden. Um eine Referenzangabe machen zu können, sei daher die vorherige Zustimmung des betroffenen Auftraggebers erforderlich. Da diese Zustimmung nicht einklagbar ist und somit von dem guten Willen des Mandanten abhängt, könne die tatsächliche Eignung der Sozietät im Falle einer Verweigerung möglicherweise nicht nachgewiesen werden. Dies würde die Anwaltskanzlei in ihrer Akquisitionstätigkeit beeinträchtigen.

Daher solle es ermöglicht werden, anonyme Referenzen abzugeben, um die maximale Punktzahl zu erreichen. Dadurch wären Anwaltskanzleien nicht auf die Zustimmung ihrer Mandanten angewiesen. Als Organe der Rechtspflege könnten Rechtsanwälte grundsätzlich verlässliche anonyme Informationen bereitstellen, weshalb die Angabe des Auftraggebers und dessen Kontaktdaten nicht zwingend erforderlich wäre.

Entscheidung

Im Ergebnis hielt der Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer nicht Stand und wurde als unbegründet zurückgewiesen. Öffentliche Aufträge werden gemäß § 122 Abs. 1 GWB an fachkundige und leistungsfähige (geeigneter) Unternehmen vergeben. Die Kriterien zur Feststellung der Eignung dürfen unter anderem die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen (§ 122 Abs. 2 Nr. 3 GWB, § 46 VgV). Dazu gehören auch die Vorlage von geeigneten Referenzen über früher ausgeführte Dienstleistungsaufträge mit Angabe des Werts, des Erbringungszeitpunkts sowie des Empfängers (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV).

Damit wird dem Auftraggeber die Forderung von passenden Referenzen Gesetzeswegen ermöglicht um zu überprüfen, ob die Bewerber über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen in der einschlägigen Rechtsberatung verfügt, um den ausgeschriebenen Auftrag angemessen ausführen zu können.

Eine anonymisierte Referenzliste ohne Angaben zum Auftraggeber und dem Nettoauftragsvolumen kann die notwendige Gleichbehandlung der Bewerber nicht garantieren, da eine Überprüfung der Referenzangaben unmöglich wäre. Der Missbrauchsgefahr hinsichtlich der Verschaffung eines Wettbewerbsvorteils gegenüber konkurrierenden Anwaltssozietäten wären Tür und Tor geöffnet. Denn es wäre ein Leichtes, eine gar nicht vorhandene Referenz zu benennen. Ohne die Angabe eines Auftragvolumens würde zudem der monetäre Umfang der Leistung und somit die wirtschaftliche Bedeutung nicht erkennbar werden. Insgesamt ist eine rechtssichere Auswertung der Referenzen und Begründung der Auswahlentscheidung daher bei anonymen Referenzen nicht realisierbar.

Auch das der Antragstellerin vorgebrachte Argument, dass aufgrund der besonderen Vertrauensstellung der Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege per se von einer Verlässlichkeit der anonymisierten Angaben auszugehen sei, überzeugte die Vergabekammer nicht. Die Anwaltskanzleien konkurrieren im Wettbewerb mit anderen Kanzleien um lukrative Beratungsaufträge. Eine stichprobenartige Überprüfung der Referenzen ist für die Wahrung der Transparenz und Gleichbehandlung unerlässlich.

Dass die Informationen über andauernde oder in der Vergangenheit erbrachte Rechtsberatungsleistungen unter die Verschwiegenheitspflicht fällt, vermag daran nichts zu ändern. Die Zwischenschaltung der Freigaben (Einholung der Zustimmung der jeweils betroffenen Mandanten) ist zwar unerlässlich, führt jedoch zu keiner Wettbewerbsverzerrung. Die Frist bis zur Abgabe des Teilnahmeantrags ermöglicht eine rechtzeitige Einholung.

Die Antragstellerin warb auf ihrer Homepage mit ihren Mandanten, sodass ihr die Einholung der Einwilligung ihrer Mandanten offenkundig auch gelungen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Veröffentlichung im Internet ein noch viel größerer Adressatenkreis angesprochen ist, während im Vergabeverfahren der öffentliche Auftraggeber nach § 5 VgV zur besonderen Behandlung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet ist. Es ist zu erwarten, dass eine Zustimmung zur Nennung als Referenz daher gestattet wird. Handelt es sich zudem um Referenzen nach Beendigung des Vertrags ist eine Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht – jedenfalls teilweise – nicht ausgeschlossen.

Praxistipp

In der Regel darf von dem Wohlwollen der Mandanten ausgegangen werden, sodass die Einholung der Zustimmung nur einen geringen (zeitlichen) Aufwand erfordert. Auch zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsgruppen können daher nicht mit Verweis auf Berufsgeheimnisse detaillierte Referenzangaben verweigern.

Autor

Maren Elvira Hintze

Maren Elvira Hintze

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