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Eignungskriterien sollen (im Zweifel) widerspruchsfrei sein

Das OLG Frankfurt/M. hat kürzlich über die Auslegung von Eignungskriterien entschieden (Beschluss vom 28.09.2023 – 11 Verg2/23), die Diskussionen hervorrufen dürfte. Denn der Grundsatz, wonach „unglückliche“ Eignungsanforderungen sich grundsätzlich zu Lasten der Vergabestelle auswirken, wirkt sich in diesem Falle gegen den Zuschlagsbieter aus.

Der Fall

Mit europaweiter Bekanntmachung hat der öffentliche Auftraggeber die Übernahme und Verwertung von Bioabfällen im Umfang von ca. 9.000 Mg/a (9.000 Megagramm = 9.000 Tonnen pro Jahr) im offenen Verfahren ausgeschrieben. Als Eignungskriterium wurde lediglich der Nachweis von zwei Referenzprojekten gefordert. Die erbrachten Leistungen mussten in Bezug auf die Tonnage ein ähnliches Volumen (mind. 50 % der ausgeschriebenen Tonnage) aufweisen und über drei Jahre und in den letzten fünf Jahren erbracht worden sein. Zudem galt:

„Einzelne Referenzen können in Summe betrachtet werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren eine zeitliche Überlappung von mindestens drei Jahren haben und in der Summe mindestens 50% der ausgeschriebenen Tonnage erreichen, sofern die Mindestkriterien nicht von einer einzigen Referenz erfüllt werden.“

Nach erfolgloser Rüge und Nachprüfungsverfahren reichte die Antragstellerin, welche Bestandsauftragnehmerin war, sofortige Beschwerde vor dem OLG Frankfurt/M. ein. Die für den Zuschlag vorgesehene Beigeladene habe mit ihren drei Referenzen (Jahresmenge 4.000 Mg/a, 1.200 Mg/a und 500 Mg/a) nicht den quantitativen Umfang der Referenzen erbringen können.

Entscheidung

Die zulässige Beschwerde hatte Erfolg, weil der Auftragsgeber es vergaberechtswidrig versäumt hat, transparente Regelungen in Bezug auf die technische und berufliche Eignung aufzustellen. Indem der Auftraggeber die Referenzen der Beigeladenen aufgrund einer intransparenten Bestimmung in den Ausschreibungskriterien als ausreichenden Eignungsnachweis akzeptiert hat, wurden die vergaberechtlichen Bestimmungen § 97 Abs. 1 (Transparenzgebot), Abs. 6 (Anspruch auf Einhaltung des Vergaberechts) und § 122 Abs. 4 GWB (Anforderung an die Eignungskriterien) verletzt.

Aus Sicht eines verständigen, durchschnittlich erfahrenen Bieters muss beurteilt werden, welche Mindestanforderungen die Referenzen erfüllen müssen bzw. ob und wenn ja welche Eignungskriterien mit der Referenzforderung verbunden sind (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.12.2021 – 11 Verg 6/21 – Videokonferenzsystem, m.w.N.).

Für den Auftrag sollten nur solche Bieter zugelassen werden, die in der Lage sind, pro Jahr ein dem hiesigen Auftrag mindestens gleich hohes Volumen zu übernehmen – also über eine entsprechend große personelle und betriebliche Ausstattung verfügen. Die Privilegierungsmöglichkeit einer Summierung von Einzelreferenzen ist bei verständiger, gründlicher Betrachtung nur „innerhalb“ der geforderten Referenzen erlaubt. Es sollte damit keine Verringerung des nachzuweisenden Gesamtvolumens einhergehen. Die Auslegung der Beigeladenen, nach der eine Absenkung der Mindesttonnage auf 50 % der Auftragstonnage gelten sollte, entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Eignungskriteriums. Zudem wäre es widersprüchlich, weil dann der verlangten Mindesttonnage von 9.000 Mg/a teilweise die Grundlage entzogen würde. Es stelle eine offensichtliche Ungleichbehandlung dar, wenn ein Bieter mit zwei Referenzen (bspw. mit einer Tonnage von je 4.000 Mg/a, also insgesamt 8.000 Mg/a) ausgeschlossen wäre, während ein Bieter, der im selben Zeitraum nur mehrere „kleinere“ Referenzen nachweisen kann, insgesamt nur die Verwertung von 4.500 Mg/a belegen müsste.

Die „Summierungsmöglichkeit“ der Ausschreibungsbedingungen ist im Ergebnis intransparent aufgestellt worden, da sie keine Rückschlüsse auf die Vergleichbarkeit der Angebote und damit auch auf die Leistungsfähigkeit hinsichtlich der ausgeschriebenen Leistung ermöglicht. Es liegen damit unklare Vergabeunterlagen vor.

Fazit

Das Verständnis des durchschnittlich erfahrenen Bieters basiert auf der Annahme, dass sich die Vergabestelle vergaberechtskonform verhält (vgl. Lampert in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., GWB § 122 Rn. 80). Die Bieter dürfen die Vergabeunterlagen im Zweifel so verstehen, dass sie den vergaberechtlichen Anforderungen entsprechen. Danach sind Vergabeunterlagen so auszulegen, dass die Eignungskriterien nicht widersprüchlich sind.

Ob es diese Grundsätze es rechtfertigen einem Zuschlagsbieter, der die („unglücklich“ formulierten) Eignungsanforderungen erfüllt, den Zuschlag zu verwehren, mag indes bezweifelt werden. Schließlich ist die Formulierung klarer und widerspruchsfreier Eignungsanforderungen zunächst Sache des Auftraggebers.

Autor

Maren Elvira Hintze

Maren Elvira Hintze

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