Section-Image

News aus der LP-Welt

Pressemeldungen, Auszeichnungen, Veröffentlichungen, Seminare - wir halten Sie informiert

Fristsetzung und Kündigung wegen eines vom Auftragnehmer verzögerten Baubeginns sind auch ohne dessen Verschulden möglich!

Verzögert der Auftragnehmer eines VOB/B-Vertrags den Beginn der Ausführung, kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen, die Kündigung androhen und diese nach Fristablauf auch aussprechen. Ein Schuldnerverzug, der Verschulden voraussetzt, ist hierfür nicht erforderlich. Ausreichend ist eine auf dem Verhalten des Auftragnehmers beruhende objektive Verzögerung. Der Auftragnehmer kann sich jedoch mit Verweis auf eine Behinderung aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers entlasten. Dies hat das OLG Köln am 31.01.2022 in einer nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde zwischenzeitlich rechtskräftigen Entscheidung festgestellt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.01.2022 - 19 U 131/21; BGH, Beschluss vom 06.06.2023 - VII ZR 39/22).

Der Fall

Das OLG Köln hatte sich mit einem gekündigten VOB/B Werkvertrag über Leistungen zur behindertengerechten Gestaltung einer Straße zu befassen. Der Auftragnehmer hat nach einer öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag für die Arbeiten erhalten, welche auch die Planung und Abstimmung aller erforderlichen Verkehrslenkungsmaßnahmen einschlossen. Entgegen der Vereinbarung begann der Auftragnehmer zum vereinbarten Termin aber nicht mit der Ausführung der Baumaßnahme. Vielmehr entfaltete der Auftragnehmer keinerlei Tätigkeiten auf der Baustelle und berief sich insoweit auf fehlende Planunterlagen. Nach einigen Diskussionen forderte der Auftraggeber den Auftragnehmer gemäß § 5 Abs. 4 VOB/B unter Kündigungsandrohung zur unverzüglichen Arbeitsaufnahme auf. Da der Auftragnehmer der Aufforderung nicht nachkam, erfolgte die Kündigung aus wichtigem Grund. Mit der der Entscheidung des OLG Köln zugrunde liegenden Klage verlangte der Auftragnehmer dann eine Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen unter dem Gesichtspunkt einer „freien“ Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B sowie Ersatz von Stillstandskosten.

Entscheidung

Das Ansinnen des Auftragnehmers hatte keinen Erfolg. Das OLG Köln hat die Berufung gegen das ebenfalls bereits abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Auch die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde war erfolglos.

Das OLG Köln hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass unter dem „Baubeginn“ die tatsächliche Arbeitsaufnahme auf der Baustelle zu verstehen ist. Soweit der Auftragnehmer neben der eigentlichen Bautätigkeit auch Planungsleistungen zu erbringen hat, müssen diese vor dem vereinbarten Termin zum Baubeginn abgeschlossen sein. Planungsleistungen, welche sich nicht durch Tätigkeiten auf der Baustelle offenbaren, reichen zum „Baubeginn“ nicht aus.

Für eine Fristsetzung und gegebenenfalls Kündigung nach § 5 Abs. 4 VOB/B ist nicht erforderlich, dass ein Verzug des Auftragnehmers im Sinne des § 286 Abs. 4 BGB vorliegt. Bereits eine objektive Verzögerung ist ausreichend, ein Verschulden ist nicht notwendig.

Der Auftragnehmer kann sich insoweit zwar mit dem Argument entlasten, dass die Verzögerung auf Gründen beruht, die (überwiegend) in den Risikobereich des Auftraggebers fallen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1a VOB/B), die Behinderung muss aber gerade die notwendigen Leistungen verhindern. Liegen derartige Behinderungen vor, ist die Verzögerung dem Auftragnehmer nicht zuzurechnen und eine Kündigung ausgeschlossen.

Praxishinweis

Nach der Entscheidung des OLG Köln ist ein Ausführungsbeginn bereits dann anzunehmen, wenn der Auftragnehmer die Baustelleneinrichtung aufstellt. Die Einrichtung der Baustelle ist nach der Entscheidung nicht davon abhängig, dass eine gegebenenfalls vom Auftraggeber zu liefernde Ausführungsplanung bereits vollständig und in einer gegebenenfalls vereinbarten korrekten Form vorliegt. Der Auftragnehmer sollte daher mit der Einrichtung der Baustelle auch dann beginnen, wenn es bei der auftraggeberseitigen Planung noch Defizite gibt.

Autor

Norbert Knöbel

Norbert Knöbel

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Anuschka Pauly: Urteilsbesprechung, KG Urteil vom 02.06.2023 - 7 U 127/21-

     

  • Merle Kammer: Urteil des BGH zu § 650f BGB, VII ZR 228/22: Vergütungshöhe ist schlüssig darzulegen!

     

  • Yannic Linnemann: Treuwidrigkeit ist nicht gleich Treuwidrigkeit: Zu den unterschiedlichen Voraussetzungen von Einwendungen gegen die Abrechnung von Architektenhonorar nach Mindestsätzen