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Interview mit Kanzleimanager Frank J. Weuthen

Gleicht das Recruiting angesichts des entstehenden Nachwuchsmangels im Anwaltsmarkt nicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen? Wenn internationale Großkanzleien bis zu 50 JunganwältInnen pro Jahr suchen, ist doch die Sahne schnell abgeschöpft, oder?

Die führenden Wirtschaftskanzleien stehen alle in einem harten Wettbewerb. Alle möchten aus dem Pool der besten AbsolventInnen einstellen – das sind aber nur rund zehn Prozent aller AbsolventInnen. Die AbsolventInnen, die den Weg zur internationalen Großkanzlei wählen, sollten wissen, was auf sie zukommt. In unserer Kanzleikultur können die Associates noch ein Leben neben der Arbeit für die Kanzlei führen, Abende und Wochenenden mit der Familie genießen oder einem Hobby nachgehen. Das ist uns sehr wichtig. Wir wollen den Spaß an der Arbeit erhalten, aber es soll auch ein intensives Leben  außerhalb des Büros möglich sein. Uns hilft im Arbeitsalltag, dass wir trotz unserer Größe neuen KollegInnen einen Einstieg mit direktem Mandantenkontakt in einem überschaubaren, aber durchweg sehr spezialisierten Team anbieten können, was frühzeitig zu eigener Verantwortung führt.  Es gibt kein Backoffice mit Leuten, die den Mandanten nicht kennenlernen.

Gehen Sie auch schon einmal ungewöhnliche Wege, um NachwuchsanwältInnen zu akquirieren?

Unser Königsweg ist das Kennenlernen über Praktikum und Referendariat. In diesen Ausbildungsabschnitten lernt man sich gut kennen und weiß, wie der andere tickt. Die KandidatInnen haben sich in diesen Phasen dem Bau- und Vergaberecht so intensiv genähert, dass sie sich ein gutes Bild machen können, ob diese Fachbereiche sie faszinieren können, gerade weil sie in Studium und Ausbildung nicht stattfinden. Viele schaffen so in unseren Büros gute Voraussetzungen für eine langfristige Zusammenarbeit.

Welche Fähigkeiten müssen JuristInnen mitbringen, die sich bei Ihnen bewerben?

Unser Blick auf die BewerberInnen geht neben der fachlichen Eignung immer sehr stark auf die Persönlichkeit – sie oder er muss vom Typ her passen. Natürlich ist eine hohe juristische Kompetenz weiterhin sehr wichtig. Daneben wünschen sich unsere Mandanten in den von uns betreuten Rechtsgebieten vor allem Verständnis für die wirtschaftlichen und technischen Hintergründe ihrer Projekte und die kreative Begleitung des Projekts von Beginn an. Bauen ist Ingenieurkunst, öffentliche Beschaffung ist Wettbewerb durch und durch. Das müssen auch die künftigen RechtsberaterInnen spüren  - die Mandanten bemerken schon, ob man sich für Ihr Projekt interessiert.

Das Baurecht ist ja eine Materie mit hoher gesamtwirtschaftlicher Relevanz …

Das Bauen wie die damit verbundenen Rechtsfragen begleiten unser Leben auf Schritt und Tritt. Ob man in einem privat gebauten Eigenheim lebt, eine Brücke nach deren Sanierung überfährt, die neue oder ertüchtigte Strecke einer Autobahn oder Eisenbahn nutzt oder die Berichterstattung über den Flughafen BER liest: Bauen ist sehr individuell, jedes Projekt ist an einem anderen Ort und in anderen Zusammenhängen, hat andere ArchitektInnen und andere NutzerInnen. Kein Projekt ist wie das andere. Wir als SpezialistInnen müssen Recht wie Technik kennen und so vermitteln, dass die Mandanten mit dem Ergebnis zufrieden sind, bis hin zum Gericht oder Schiedsverfahren.

Welche Bedeutung hat eigentlich das LP-Magazin für Ihr Recruiting?

Mit dem LP-Magazin haben wir im Kanzleimarkt Aufsehen erregt. Es ist noch immer ein Alleinstellungsmerkmal, das beim Recruiting enorm hilft. Es berichtet nach Art eines journalistischen Magazins über alle Facetten unseres Unternehmens, die man in dieser Form in einer anderen Publikation schlichtweg nicht findet. Junge JuristInnen lernen über das LP-Magazin die Kanzlei, ihre Menschen, die Projekte und GeschäftspartnerInnen kennen. Das leistet keine Website und keine Kanzleibroschüre.  Das Magazin findet auch bei den Mandanten großen Anklang.

Leinemann Partner wirbt damit, dass junge AnwältInnen in der Sozietät eine realistische Chance haben, PartnerIn zu werden. Was heißt das konkret? 

Man hört ja gelegentlich, dass in internationalen Großkanzleien der Weg zur Partnerschaft nahezu unmöglich geworden ist. Wer Vergabe-, Bau- und Immobilienrecht mag, hat bei LP eine ganz reale Chance, PartnerIn zu werden. Wir suchen Menschen, die bei uns lange bleiben möchten und Karriere machen wollen. Dazu gehört dann über die Jahre ein entsprechender Umsatz, die Fähigkeit, Mandanten zu akquirieren und MitarbeiterInnen anzuleiten. Das klappt: jedes Jahr ernennen wir neue PartnerInnen.

Stichwort Work-Life-Balance: Wird von jungen AnwältInnen bei Leinemann erwartet, dass sie am Wochenende arbeiten oder auf den Jahresurlaub verzichten?

Nein. Wir begleiten unsere Mandanten und richten uns nach deren Bedürfnissen. Das kann auch mal stressig sein. Aber am Wochenende muss niemand arbeiten und Urlaub haben wir immer wie gewünscht gewährt und noch nie gestrichen. Wir haben uns über das jüngste Ergebnis einer anonymen Associate-Umfrage der Zeitschrift AZUR gefreut: dort haben unsere Associates eine durchschnittliche Arbeitszeit genannt, mit der wir fast sieben Stunden unter dem Durchschnitt der Associates in anderen Kanzleien liegen. Wir machen wohl irgend etwas besser als die anderen.  Fairerweise muss man auch sagen, dass wir in Rechtsgebieten mit weitgehend nationaler Relevanz tätig sind, so dass Zeitverschiebung über die Kontinente bei unseren Projekten in der Regel keine Rolle spielt. Unsere Mandanten und wir machen ungefähr gleichzeitig Feierabend.

Stichwort Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern: Ist das bei Leinemann Partner ein Thema?

Bei Leinemann Partner sind inzwischen 50 % der NeueinsteigerInnen Frauen, über alle 100 BerufsträgerInnen liegt ihr Anteil bei 35%. Das müssen uns die anderen Wirtschaftskanzleien erst mal nachmachen. Wir haben aber noch zu wenige Partnerinnen. Hier setzen wir mit besonderen Maßnahmen an. Wir bieten aktuell verschiedene Seminare nur für Anwältinnen. Auch Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse sind bei uns in allen Varianten möglich, ebenso wie Homeoffice wenn die Kinder das erfordern. Wir stellen fest, das unsere Mandanten den hohen Anteil der Anwältinnen bei uns sehr gut finden. In der vergaberechtlichen Beratung der öffentlichen Hand sind inzwischen fast schon mehr Frauen als Männer auf der Mandantenseite. Das motiviert.

Bieten Sie AnwälteInnen, die nicht PartnerIn werden, aber sich als Angestellte langfristig binden wollen, auch einen Zwischenweg z. B. als Counsel an?

Ja, das ist möglich und wird auch von einer Reihe von AnwältInnen bei uns genutzt. Wir bieten damit einen alternativen Karriereweg, wenn man  bspw. nicht die unternehmerische Verantwortung als PartnerIn tragen möchte. Diese Kontinuität wird von unseren Mandanten sehr positiv gesehen.

Frank J. Weuthen

Frank J. Weuthen,
Berlin