News | Newsletter | Neues zum Baurecht 01/2016
BGB-Werkvertrag: Mängelrechte des Auftraggebers vor Abnahme?
OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015, 4 U 26/12
Ein privater Bauherr schloss mit der Beklagten einen Bauvertrag zur Errichtung eines Rohbaus/erweiterten Rohbaus eines Einfamilienhauses. Unter anderem war eine Abdichtung gegen nicht drückendes Wasser geschuldet. Bereits während der Ausführung und vor der Abnahme der geschuldeten Bauleistungen wurden Beanstandungen an den ausgeführten Abdichtungsarbeiten gerügt. Die Beklagte wandte ein, nicht mangelhaft gearbeitet zu haben und beseitigte die Beanstandungen nicht. Der Bauherr nimmt daraufhin die Beklagte auf Zahlung eines Kostenvorschussanspruches in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten in Anspruch.
In der Entscheidung wird thematisiert, dass dem geltend gemachten Kostenvorschussanspruch zur Mangelbeseitigung die fehlende Abnahme der Arbeiten der Beklagten nicht entgegensteht. Die werkvertraglichen Mängelrechte und der Anspruch auf Kostenvorschuss entstünden zwar grundsätzlich erst mit Abnahme der Werkleistung. Ausnahmsweise bestehen die Mängelrechte bereits vor der Abnahme, wenn der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt ansieht und abgeliefert hat, der Auftraggeber indes die Abnahme verweigern kann und der Unternehmer die Mangelbeseitigung endgültig verweigert. Das Gericht sieht einen solchen Ausnahmetatbestand vorliegen. Dem privaten Bauherrn wird der verlangte Kostenvorschuss wegen Mängelbeseitigung zugesprochen.
Fazit
Die Entscheidung problematisiert die Frage nach Mängelrechten vor der Abnahme bei Abschluss eines BGB-Werkvertrages. Diese Frage wird kontrovers diskutiert (vgl. Werner Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage, Rn. 2069). Zum Bestehen von Mängelrechten vor der Abnahme gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Das OLG Brandenburg nennt im Einklang bereits ergangener Entscheidungen (vgl. OLG Hamm Urteil, vom 26.02.2015 – 24 U 56/10; OLG Köln, Beschluss vom 12.11.2012 11 U 146/12) mehrere Ausnahmetatbestände, wonach auch ohne Abnahme Mängelrechte geltend gemacht werden können. Der Unternehmer, der einen BGB-Werkvertrag abgeschlossen hat und vor Abnahme seiner Leistungen die Beseitigung von Mängeln endgültig ablehnt, läuft in das Risiko, dass der Auftraggeber die Mängel selbst beseitigen lässt oder für die Mängelbeseitigung Kostenvorschuss verlangt.
Diese Frage der Mängelrechte vor Abnahme ist derzeit ferner im Bauträgerrecht von Bedeutung. Die Klauseln in den Bauträgerverträgen, die die Abnahme der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz regeln, werden regelmäßig wegen Benachteiligung der Erwerber durch die Gerichte für unwirksam erklärt. Dies führt dazu, dass viele Jahre nach der Fertigstellung des Bauvorhabens keine wirksame Abnahme vorliegt. Ein solches Ergebnis ist für den Bauträger katastrophal. Ohne Abnahme befindet sich das Vertragsverhältnis noch im Erfüllungsstadium. Die Gefahr der Verschlechterung und Abnutzung der erbrachten Leistungen liegen noch beim Bauträger. Auch die Erwerber haben Nachteile. Diese gingen zunächst von einer wirksamen Abnahme aus. Gegenüber dem Bauträger wurden Mängelrechte wie Kostenvorschuss oder Ersatz der Selbstvornahmekosten geltend gemacht. Liegt keine wirksame Abnahme vor, fallen diese mit den Mängelansprüchen aus. Gerade diese Sachverhalte sind aktuell an mehreren Oberlandesgerichten anhängig, um zu klären, ob den Erwerbern doch Mängelrechte eingeräumt werden können, obwohl keine wirksame Abnahme vorliegt.
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