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Kündigungsvergütung nach freier Auftraggeberkündigung nunmehr vollumfänglich umsatzsteuerpflichtig

Mit der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 13.05.2025 hat erstmals ein deutsches Obergericht das Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus Ende 2024 bestätigt, wonach die Kündigungsvergütung nach freiem Auftragsentzug des Auftraggebers auch in Bezug auf die kündigungsbedingt nicht mehr ausgeführten Leistungen der Umsatzsteuer unterliegt.

Sachverhalt

Im Rahmen eines BGB-Bauvertrages spricht der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer eine freie Kündigung im Sinne des § 648 BGB aus. Die Schlussrechnung des Auftragnehmers weist nicht nur für die erbrachten, sondern auch für die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent aus.

Unter Berufung auf die bisherige ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bzw. des Bundesgerichtshofes verweigert der Auftraggeber die Zahlung des Umsatzsteueranteils für die kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen.

Die Entscheidung

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin bricht mit der bisherigen Rechtsprechungspraxis, einem Auftragnehmer im Rahmen eines Werkvertrages nach Auftragsentzug den Umsatzsteueranteil allein auf die erbrachten Leistungen zusprechen zu wollen.

Der gegenständliche Beschluss stellt jedoch keinen unerwarteten Alleingang dar, sondern muss vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 28.11.2024 (Az.: v C-622/23) betrachtete werden. Mit der vorgenannten Entscheidung hat der EuGH eine Umsatzsteuerpflichtigkeit auch in Bezug auf die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen bejaht. Dem Urteil liegt folgende Ansicht zu Grunde: Bisher nahm man an, dass nur der Vergütungsanteil, der auch als Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts zu qualifizieren sei, denklogischerweise auch der Umsatzsteuerpflicht unterliege.

Die bisherige Rechtsprechung sah den Vergütungsanteil, der auf die kündigungsbedingt nicht mehr ausgeführten Leistungen entfiel aber nicht als Entgelt, sondern als reine Entschädigung an. Der EuGH aber charakterisiert nunmehr auch die Kündigungsvergütung für die nicht erbrachten Leistungen als Gegenleistung und damit Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Sie sei ein vorher festgelegter und bekannter Betrag, die der Auftragnehmer ohne den vorzeitigen Auftragsentzug auch erhalten hätte. Die Kündigung ändere am Charakter einer Gegenleistung und damit an der Steuerbarkeit der Kündigungsvergütung nichts.

Diese Überlegungen übernimmt das Kammergericht in der hier besprochenen Entscheidung und ist damit das erste deutsche Gericht, welches die unionsrechtliche Rechtsprechung umsetzt.

Praxishinweis

Bereits die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28.11.2024 hat in der Baubranche Aufsehen erregt. Folgerichtig war es nur eine Frage der Zeit, bis ein deutsches Obergericht die Unionsrechtsprechung auf nationaler Ebene bestätigt.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Rechtsauffassung des Kammergerichts Berlin auch am Bundesgerichtshof und Bundesfinanzhof durchsetzen wird.

Auftragnehmern ist anzuraten, nach freier Kündigung auf ihre komplette Schlussrechnungssumme die Umsatzsteuer anzusetzen. Interessanterweise bezieht das Kammergericht Berlin auch die noch ausstehenden Abrechnungen von Bauvorhaben in seine Entscheidung mit ein, in denen der Auftraggeber bereits vor dem Urteil des EuGH Ende 2024 die freie Kündigung ausgesprochen hat. 

Bei bereits gekündigten und abgerechneten Bauverträgen ist Auftragnehmern anzuraten, den Umsatzsteueranteil nachträglich durch Korrektur der Schlussrechnung (notfalls gerichtlich) geltend zu machen. Dies zum einen, weil sonst im Falle der Nachforderung von Umsatzsteuer durch das Finanzamt Auftragnehmern ein entsprechender Vergütungsausfall droht, sondern zum anderen auch eine diesbezügliche Verjährung Ihrer Vergütungsansprüche gegenüber dem Auftraggeber.

Autor

Maximilian Lechleitner

Maximilian Lechleitner

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