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Beurkundungserfordernis bei separatem Vertragsschluss über Grundstückskauf und Bauleistungen

OLG Schleswig, Urteil vom 10.07.2025 – 12 U 12/24

Während der typengemischte Bauträgervertrag nach der Legaldefinition in § 650u Abs. 1 S. 1 BGB die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder Grundstücksteil und die Erbringung von Bauleistungen zum Gegenstand hat, besteht für die Vertragsparteien grundsätzlich auch die Möglichkeit, die unterschiedlichen Leistungen ganz oder teilweise getrennt voneinander zu vereinbaren. Mit Urteil vom 10.07.2025 hat sich das OLG Schleswig mit der Frage befasst, unter welchen Umständen ein neben einem Grundstückskaufvertrag separat abgeschlossener Werkvertrag zur Wirksamkeit einer notariellen Beurkundung bedarf. Außerdem hat das OLG Schleswig die Anforderungen an die prozessuale Beweislast hinsichtlich einer Formnichtigkeit aufgezeigt und entschieden, dass ein Bauträger sich im Einzelfall treuwidrig verhält, wenn er sich nach vollständiger Erbringung seiner Leistungen auf eine Formnichtigkeit berufen möchte.

Der Sachverhalt

Die Parteien haben einen notariellen „Wohnungskauf- und Werklieferungsvertrag“ geschlossen, der die Übertragung des Eigentums ein einer Wohneinheit und die Erbringung von Rohbauleistungen durch den Bauträger vorsieht. Mit seiner Klage verlangt der Erwerber vom Bauträger die Auflassung der Wohneinheit und die Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch. Der Bauträger wiederum begehrt vom Erwerber im Wege der Widerklage die Räumung und Herausgabe der Wohneinheit Zug-um-Zug gegen Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreisanteils.

Der Bauträger meint, das Vertragsverhältnis sei insgesamt formnichtig, weil neben dem notariell beurkundeten Vertrag über die Eigentumsübertragung und die Rohbauleistungen mündlich ein weiterer Vertrag geschlossen worden sei, der die Leistungen zum schlüsselfertigen Ausbau der Wohneinheit, zumindest aber eine Baubegleitung der Ausbauleistungen zum Gegenstand gehabt haben soll. Da dieser weitere Werkvertrag über Ausbauleistungen, die im Exposé ursprünglich beworben wurden und vorgesehen waren, nicht notariell beurkundet wurde, sei der Vertrag wegen eines Verstoßes gegen § 311b Abs. 1 BGB gemäß § 125 S. 1 BGB insgesamt nichtig und rückabzuwickeln.

Die Entscheidung des OLG Schleswig

Das OLG Schleswig weist die Berufung des Bauträgers zurück und bestätigt das erstinstanzliche Urteil, mit dem der Bauträger verpflichtet wurde, der Eigentumsumschreibung auf den Erwerber zuzustimmen. Die Entscheidung begründet das OLG Schleswig zunächst damit, dass es dem Bauträger nicht gelungen ist, den ihm obliegenden Beweis zu führen, dass neben dem notariell beurkundeten Bauträgervertrag ein weiterer Vertrag über Ausbauleistungen geschlossen wurde.

Darüber hinaus führt das OLG Schleswig in seiner Entscheidung aus, dass nicht jede Vereinbarung, die außerhalb des notariell beurkundeten Rechtsgeschäfts getroffen wird, zu einer Beurkundungspflicht sämtlicher Vertragsbestandteile führt. Vielmehr bedarf es über einen wirtschaftlichen Sachzusammenhang hinaus zusätzlich eines sog. „Verknüpfungswillens“ der Vertragsparteien. Dieser setzt voraus, dass die betroffenen Vereinbarungen so eng miteinander verknüpft sind, dass sie nach dem Willen der Vertragsparteien „miteinander stehen und fallen“ sollen bzw. nicht ohneeinander abgeschlossen worden wären.

Dies ist zwar beim Bauträgervertrag hinsichtlich der Grundstücksübereignung und der Bauwerkserrichtung regelmäßig der Fall, da diese nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein einheitliches Vertragsverhältnis darstellen und nur gemeinsam Sinn ergeben. Vorliegend ist jedoch nach Ansicht des OLG Schleswig nicht ersichtlich, dass eine der Vertragsparteien nicht auch zum Abschluss des beurkundeten Grundstückskauf- und Rohbauvertrages bereit gewesen wäre, ohne dass auch die Ausbauleistungen zur Schlüsselfertigkeit vom Bauträger erbracht werden. Der Umstand, dass zunächst der schlüsselfertige Ausbau im Exposé vorgesehen war und nachträglich zur Ermöglichung eines zügigeren Verkaufs der verbliebenen Wohneinheiten der Leistungsumfang (und damit auch der Erwerbspreis) auf den Rohbau reduziert wurde, legt das Gegenteil nahe.

Schließlich vertritt das OLG Schleswig die Auffassung, dass es dem Bauträger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB im vorliegenden Fall verwehrt wäre, sich auf eine etwaige Formnichtigkeit des Bauträgervertrages zu berufen. Dies begründet das OLG Schleswig damit, dass der Bauträger sich selbstwidersprüchlich verhält, wenn er in Kenntnis der eine vermeintliche Nichtigkeit des Vertrages begründenden Umstände den Vertrag durchführt und seine Bauleistung „ins Werk setzt“.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Schleswig verdeutlicht, dass die Einhaltung formeller Anforderungen im Bauträgerrecht keine bloße Förmelei ist, sondern gravierende Folgen nach sich ziehen kann. Durch eine Zusatzvereinbarung zu einem Grundstückskaufvertrag kann sich ein insgesamt beurkundungspflichtiger Gesamtvertrag ergeben. Wer solche Konstellationen konstruiert oder begleitet, muss die Einheitlichkeit der Verträge sorgfältig prüfen. Entscheidend ist nicht nur der Wortlaut, sondern auch die wirtschaftliche Verflechtung der Vereinbarungen und ein möglicher Verknüpfungswille der Vertragsparteien.

Für die Vertragsgestaltung ergibt sich daraus, dass in Bauträgerfällen mit getrennter Vertragsstruktur eine klare Trennung erkennbar und wirtschaftlich begründbar sein muss. Zudem sollten etwaige Zusatzleistungen vertraglich abgesichert und – im Zweifel – ebenfalls notariell beurkundet werden. Für die anwaltliche Beratung erinnert das Urteil daran, dass auch formale Mängel im Lichte der Gesamtumstände und des tatsächlichen Verhaltens der Beteiligten zu würdigen sind.

Besonders praxisrelevant ist darüber hinaus der Gedanke des Selbstwiderspruchs: Bauträger, die trotz möglicher Formnichtigkeit den Vertrag vollständig erfüllen, laufen Gefahr, das Recht zu verlieren, sich auf die Formnichtigkeit zu berufen. Die Entscheidung fordert damit ein hohes Maß an Konsistenz im Verhalten der Vertragsparteien.

Autor

Sebastian Jakobi, LL.M.

Sebastian Jakobi, LL.M.

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