News | Newsletter | Neues zum Baurecht 04/2025
Der Ausschluss des deutschen AGB-Rechts ist in Schiedsklauseln wirksam
BGH, Beschluss vom 09.01.2025 - I ZB 48/24
In einer für die bauvertragliche Praxis zunächst kaum beachteten Entscheidung hat der 1. Zivilsenat des BGH entschieden, dass eine Vereinbarung der Bauvertragsparteien in einer Schiedsklausel, die den Ausschluss des deutschen AGB-Rechts vorsieht, wirksam ist. Das kann erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Vertragsgestaltung und Abwicklung von Bauverträgen haben.
Der Sachverhalt
Der nicht für das Bauvertragsrecht zuständige 1. Zivilsenat des BGH hatte einen Fall zu entscheiden, der an der Schnittstelle zwischen dem Internationalen Privatrecht und dem Schiedsverfahrensrecht angesiedelt war. Es ging um die Frage, inwieweit die Parteien im Rahmen ihrer Vereinbarungen bestimmen können, dass deutsches Recht ohne die Vorschriften des AGB-Rechts, also insbesondere ohne die §§ 305–310 BGB, anwendbar ist. Rechtlich auszugehen ist von dem in § 1051 ZPO verankerten Sonderkollisionsrecht für die Bestimmung des im Schiedsverfahren anwendbaren materiellen Rechts. Vereinbart war die vom Auftraggeber in das Vertragsverhältnis eingebrachte Klausel:
28.1. Dieser Vertrag und sämtliche für ihn geltenden Vertragsbedingungen unterliegen deutschem Recht mit Ausnahme des UN-Kaufrechts sowie der Kollisionsvorschriften des Internationalen Privatrechts
28.3. Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über dessen Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden
Das in der Sache anwendbare Recht ist unter Klausel 28.1 geregelt. Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, auf die Berufung der Anwendung der §§ 305 bis 310 BGB zu verzichten.
Die Entscheidung
Fraglich war, ob mit neben der Vereinbarung eines Schiedsgerichts und des deutschen Rechts das darin enthaltene AGB-Recht ausgeschlossen werden kann.
Maßgebende Norm ist § 1051 Abs. 1, Satz 1 ZPO:
Das Schiedsgericht hat die Streitigkeit in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften zu entscheiden, die von den Parteien als auf den Inhalt des Rechtsstreits anwendbar bezeichnet worden sind.
Danach können die Parteien auch Rechtsregeln und nicht nur ein bestimmtes, staatliches Recht, also eine bestimmte staatliche Rechtsordnung wählen. Hier hatten die Parteien deutsches Recht ohne die §§ 305 – 310 BGB (also ohne AGB-Recht) vereinbart. Das umfasst auch die Möglichkeit, bestimmte Teile einer staatlichen Rechtsordnung für nicht anwendbar zu erklären. Die Rechtswahl ist auch bei reinen Inlandsfällen möglich, weil § 1051 ZPO keinen Auslandsbezug fordert. Das bedeutet, dass sämtliche Klauseln des Vertrages nicht mehr nach AGB-Recht und der dazu ergangenen Rechtsprechung überprüft werden, sondern nur noch nach § 242 BGB – Treu und Glauben). Im Rahmen einer vorzunehmenden Prüfung einzelner Vertragsklauseln können die Wertungen des europäischen Unionsrechts berücksichtigt werden. Dabei müsste eine Klausel „grob nachteilig“ sein oder „Abweichungen von einer guten Handelspraxis“ darstellen und eine mangelnde individuelle oder unternehmerische Selbstbestimmung ausweisen, was hier nicht der Fall war.
Fazit
Daraus ergibt sich, dass Rechtswahlklauseln in der vorliegenden Gestaltung (deutsches Recht unter Ausschluss der §§ 305–310 BGB) der Wirksamkeit einer Schiedsklausel nicht entgegenstehen. Das hat weitreichende Konsequenzen. Eine solche Klausel ist durch ein Schiedsgericht grundsätzlich als wirksam anzusehen, sofern sie entweder individuell vereinbart wurde oder zumindest keine Überrumpelung oder eine unfaire Überraschung des Vertragspartners vorliegt. Das Schiedsgericht ist jedenfalls in Fällen mit Auslandsbezug, richtigerweise aber auch in reinen Inlandsfällen, an eine derartige Klausel gebunden und kann §§ 305–310 BGB nicht anwenden. Eine Beurteilung von AGB oder Formularverträgen nach § 242 BGB bleibt hiervon unberührt. Sie ist aber dem Anwendungsbereich nach auf Fälle mangelnder individueller oder unternehmerischer Selbstbestimmung beschränkt. In diesem Rahmen ergibt sich aus § 242 BGB eine eingeschränkte und maßvolle Inhaltskontrolle, die sich an der vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes praktizierten Handhabung ausrichten kann. Für eine indirekte Anwendung der zu § 307 BGB, § 310 I BGB geltenden Praxis auf der Grundlage von § 242 BGB ist demgegenüber kein Raum. Bei derartigem Vorgehen wird man davon ausgehen dürfen, dass ein Schiedsspruch auch nicht gegen den Ordre public verstößt (vgl. zu allem die ausführliche Darstellung von Pfeiffer, Der Ausschluss des AGB-Rechts im Rahmen einer Schiedsvereinbarung in NJW 2025, 866-870).
Insbesondere bei Klauseln zum Nachtragsmanagement, zur Bauzeit, zur Vertragsstrafe, den Sicherheiten oder der Verjährungsfrist für Mängelansprüche kann der Maßstab der obergerichtlichen zum Verstoß gegen das (deutsche) AGB-Recht nicht angewendet werden. Einseitige Anordnungsrechte beim Nachtragsmanagement entgegen der Systematik der §§ 650 b ff. BGB, Anordnungen zur Bauzeit, Vertragsstrafenklauseln mit einer Obergrenze von 10 % oder gar mehr, Bürgschaften auf erstes Anfordern oder über 5 Jahre hinaus laufende Verjährungsfristen dürften danach wirksam sein. Das sollte bei der zukünftigen Vertragsgestaltung unbedingt beachtet werden.
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