News | Newsletter | Neues zum Baurecht 05/2025
OVG NRW konkretisiert Schwellenwerte für zumutbare Lärmbelastungen im Bauplanungsrecht
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.10.2025 – 10 B 741/25
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 10. Oktober 2025 entschieden, dass eine planbedingte Erhöhung der Lärmimmissionen nicht zwingend zur Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans führt. Maßgeblich sei, ob die Schwelle zu unzumutbaren oder gar gesundheitsgefährdenden Lärmbelastungen überschritten wird.
Sachverhalt
Anwohner eines geplanten Klinikums hatten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 47 Abs. 6 VwGO) beantragt, den zugrundeliegenden Bebauungsplan außer Vollzug zu setzen. Sie rügten insbesondere planbedingte Lärmzuwächse durch Verkehr, Parkhausnutzung und Hubschrauberbetrieb sowie eine unzureichende Berücksichtigung passiver Schallschutzmaßnahmen.
Entscheidung
Das OVG wies den Antrag ab. Nach der ständigen Rechtsprechung seien besonders strenge Maßstäbe anzulegen: Eine einstweilige Anordnung komme nur in Betracht, wenn schwere Nachteile drohten oder die Norm offensichtlich unwirksam sei.
Im konkreten Fall sei dies nicht gegeben. Zwar ergab die schalltechnische Untersuchung eine Zunahme der Immissionspegel um bis zu 1,3 dB(A); diese liege jedoch unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Auch unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Vorbelastung sei die Schwelle der Gesundheitsgefährdung nicht überschritten.
Das Gericht konkretisiert mit dieser Entscheidung weiter die Grenzen zulässiger Lärmbelastung im Bauplanungsrecht:
- Gesunde Wohnverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) sind im Regelfall gewahrt, wenn die Orientierungswerte der DIN 18005 Beiblatt 1 (60 dB(A) tags / 50 bzw. 45 dB(A) nachts) eingehalten werden.
- Die Gesundheitsgefahrenschwelle beginnt regelmäßig erst bei 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts.
- Eine planbedingte Überschreitung dieser Werte kann ausnahmsweise hinnehmbar sein, wenn die Zunahme unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle von 1–2 dB(A) bleibt.
Im Ergebnis sah das Gericht weder unzumutbare noch gesundheitsgefährdende Lärmimmissionen.
Praxishinweis
Der Beschluss unterstreicht die hohe Hürde für eine einstweilige Außervollzugsetzung von Bebauungsplänen. Lärmerhöhungen rechtfertigen kein Einschreiten, solange sie unterhalb der Gesundheitsgefahrengrenze und im Rahmen der ortsüblichen Vorbelastung bleiben.
Für die kommunale Planungspraxis bietet die Entscheidung Orientierung bei der Bewertung von Lärmkonflikten und der Abwägung zwischen städtebaulicher Entwicklung und Immissionsschutz. Gleichzeitig bestätigt das OVG, dass geringfügige planbedingte Pegelerhöhungen – insbesondere unterhalb von 2 dB(A) – grundsätzlich zumutbar sind.