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BGH stärkt Investitionsschutz bei Abschluss von Mietverträgen, deren Laufzeitbeginn vom Eintritt eines Ereignisses abhängig sind.

Der BGH stärkt mit Urteil vom 12.03.2025 (Az. XII ZR 76/24) die Planungs- und Investitionssicherheit von Windenergieanlagen, was sich auf ähnliche Sachverhalte in der Immobilientransaktion oder bei Investitionen von Projektentwicklern übertragen lässt.

Sachverhalt

Eine Betreiberin von Windenergieanlagen schloss mit einem Grundstückseigentümer einen Nutzungsvertrag über eine landwirtschaftliche Fläche, der als Mietvertrag zu bewerten war. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 20 Jahren vor, beginnend ab dem 31. Dezember des Jahres, in dem die letzte geplante Windenergieanlage in Betrieb genommen wird. Voraussetzung für die Errichtung der geplanten Windenergieanlage war die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht vorlag. Der Vertrag wurde mit Unterzeichnung wirksam, die Nutzung des Grundstücks, mithin der Beginn der Laufzeit, war abhängig vom Baubeginn und vom Zeitpunkt der vollständigen Inbetriebnahme der Windkraftanlage. Ein Rücktrittsrecht war vorgesehen, falls innerhalb von fünf Jahren keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt oder deren Erteilung nicht absehbar war.

Rechtliche Würdigung

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Gestaltung von Miet- und Nutzungsverträgen nicht nur von Windkraftanlagen, sondern auch im Rahmen von Immobilientransaktionen und Projektentwicklungen, insbesondere wenn der Kaufvertragsschluss oder die Baugenehmigungserteilung für die Immobilie noch aussteht.

Der BGH unterteilte den Vertrag in zwei Zeiträume. Der erste Zeitraum des Nutzungsvertrages betrifft die Schwebezeit bis zum Eintritt des maßgeblichen Ereignisses für den Laufzeitbeginn und der Zahlung des Nutzungsentgelts. Der zweite Zeitraum des Nutzungsvertrages betraf die feste Laufzeit von 20 Jahren.

Der BGH stellte fest, dass der erste Abschnitt durch eine aufschiebende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB charakterisiert sei. Das bedeutet, dass der Vertrag zwar wirksam geschlossen wurde, die feste Vertragslaufzeit jedoch erst mit Eintritt des ungewissen Ereignisses (Inbetriebnahme der letzten Windenergieanlage) beginnt.

Im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Eintritt der Bedingung liegt kein befristetes Vertragsverhältnis vor, sodass grundsätzlich eine ordentliche Kündigung möglich wäre. Allerdings nahm der BGH im vorliegenden Fall einen konkludenten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts während der Schwebezeit an. Dies ergab sich aus der Systematik des Vertrags und der Interessenlage der Parteien, insbesondere aufgrund der Vereinbarung eines Rücktrittsrechts für den Zeitraum der Schwebezeit. „Aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners ist ein Rücktrittsrecht kein Kündigungsrecht“ führt der BGH aus. Diese Vereinbarung des Rücktrittsrechtes habe rechtserheblichen Inhalt und war von den Parteien mithin bewusst vereinbart worden. Der BGH begründete den Ausschluss eines Kündigungsrechts während der „Schwebezeit“ damit, dass dies dem Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspreche und deshalb ein Rücktrittsrecht vereinbart wurde. Ferner würde die Investitionssicherheit des Anlagenbetreibers gefährdet werden und die Realisierbarkeit solcher Projekte faktisch unmöglich machen, wäre eine ordentliche Kündigung während der Schwebezeit möglich.

Der BGH betonte, dass ein solcher Kündigungsausschluss den Grundstückseigentümer nicht unangemessen benachteilige, da er das Grundstück weiterhin bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirtschaftlich nutzen könne und ein Rücktrittsrecht habe, falls die Genehmigung nicht innerhalb von fünf Jahren erteilt werde.

Bei Immobilientransaktionen ist oftmals Voraussetzung, dass neue Mietverträge im Sinne des potenziellen Käufers abgeschlossen werden, die z.B. mit Übergang von Nutzungen und Lasten nach dem Kaufvertrag beginnen sollen. Auch diese Mietverträge sind an den Eintritt eines ungewissen Ereignisses geknüpft. Hierbei ist zu beachten, dass die feste Laufzeit erst mit Eintritt dieses Ereignisses – Übergang von Nutzungen und Lasten – beginnt (sofern diese nicht insgesamt unter eine aufschiebende Bedingung gestellt werden sollen). Bis dahin besteht bei einem wirksamen Mietvertragsabschluss ein unbefristetes Vertragsverhältnis, das grundsätzlich ordentlich kündbar ist. Ein konkludenter Ausschluss des Kündigungsrechts in diesem Zeitraum ist jedoch möglich und kann durch entsprechende Vertragsklauseln erreicht werden.

Dasselbe gilt für Projektentwickler, die für die Erstvermietung von Gewerbemieträumen einen entsprechenden Mieter für die Anmietung der Immobilie nach Fertigstellung benötigen. Planungssicherheit ist erforderlich, um Investitionen tätigen zu können. Ein Kündigungsausschluss während der Schwebezeit schützt vor vorzeitiger Vertragsbeendigung durch den Mieter, für den die Immobilie geplant wurde und vor kostspieligen Planungsänderungen. Es ermöglicht eine verlässliche Projektplanung.

Fazit

Das BGH-Urteil vom 12.03.2025 (Az. XII ZR 76/24) schafft deutliche Klarstellungen hinsichtlich der Kündbarkeit von Miet- und Nutzungsverträgen mit aufschiebenden Bedingungen. Er betont die Möglichkeit, das ordentliche Kündigungsrecht während der Schwebezeit konkludent auszuschließen, sofern dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führt. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Gestaltung von Miet- und Nutzungsverträgen im Rahmen von Immobilientransaktionen und Projektentwicklungen besonderes Augenmerk auf die Regelungen zur Vertragslaufzeit und zu Kündigungs- bzw. Rücktrittsrechten gelegt werden sollte, um sowohl die Interessen des Mieters als auch des Grundstückseigentümers angemessen zu berücksichtigen.

Autor

Monique Ruttmann

Monique Ruttmann

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