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Angabe der (Unter-)Kriterien in der absteigenden Reihenfolge ihrer Bedeutung

Im Beschluss vom 02.02.2021 (13 Verg 8/20) fordert das OLG Celle, dass Bieter auch bei Unterkriterien erkennen können müssen, welche Gewichtung und Bedeutung diese für die Wertungsentscheidung haben. Zudem wird klargestellt, dass bei einem Vertrag mit 4-jähriger Laufzeit im Regelfall eine Preisgleitklausel nicht verlangt werden kann.

Sachverhalt

Die Vergabestelle(VSt)  schrieb im August 2020 Postdienstleistungen für eine Laufzeit von 4 Jahren aus. Gegenstand war die Abholung und Beförderung von Briefpostsendungen bis 1000 g Gewicht. Es gab zwei Wertungskriterien: Preis 50 Punkte und für ein Realisierungskonzept ebenfalls 50 Punkte. Ausweislich der Vergabeunterlagen war das Realisierungskonzept als Qualitätskriterien gemäß § 48 Abs. 2 VgV vorgesehen. Das Realisierungskonzept des Bieters müsse Erläuterungen zu folgenden Punkten erhalten: genauer Brieflauf, Ort und Zeitpunkt der Übergabe der Sendungsmengen an Dritte; konkrete Tätigkeiten der verschiedenen beteiligten Unternehmen; nachvollziehbar organisierte Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens des Bieters und gegebenenfalls mit anderen Unternehmen und Nachunternehmern; Erläuterung, wie die Beförderungen der Briefpostsendungen in ländlichen Regionen sichergestellt wird; Darlegung, wie der Datenschutz über die gesamte Leistungspflicht hilfsweise Transportkette sichergestellt wird; Darstellung weiterer besonderer Leistungen bei den nachweispflichtigen Briefen (Einschreiben); Darstellung, wie mit Beschwerden des Auftraggebers umgegangen wird, welche Maßnahmen im Falle von wiederholter Schlechtleistung des Nachunternehmers getroffen werden und ob diese Maßnahmen in letzter Konsequenz die Auflösung des Nachunternehmerverhältnisses begründen können; Beschreibung des Serviceangebots für den Kunden (Auftraggeber); Darstellung, inwieweit bei der konkreten Leistungsausführung in den jeweiligen Prozessschritten Umweltaspekte berücksichtigt werden; Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags beauftragten Personals(…..).

Die Antragstellerin (ASt) rügte, dass das Wertungskriterium des Realisierungskonzepts intransparent sei. Es sei unklar, welche Beschreibungen für den Fall eines Rückgriffs auf Leistungen der Deutschen Post AG erforderlich seien, wie das Serviceangebot zu beschreiben sei, wie das Unterkriterium der Berücksichtigung von Umweltaspekten auszufüllen sei und wie die einzelnen Unterkriterien zum Kriterium „Realisierungskonzept“ gewichtet würden. Nach Zurückweisung der Rüge stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag, dem die Vergabekammer weitgehend stattgab. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der VSt.

Die Entscheidung

Das OLG Celle hält die sofortige Beschwerde der VSt für teilweise begründet, verpflichtet im Beschluss aber die VSt, die Vergabeunterlagen um eine Gewichtung der Unterkriterien zu ergänzen und sodann neue Angebote einzuholen.

Nach § 127 Abs. 5 GWB sind Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufzuführen. Dies gilt sowohl für Zuschlagskriterien als auch für die Unterkriterien (EuGH, Urt. v. 14.7.2016, C-6/15; OLG Celle, Beschl. v. 7.11.2013,13 Verg 8/13). Im hiesigen Fall ist für einen Bieter nicht erkennbar, auf welche Punkte innerhalb des Konzepts die VSt mehr oder weniger Wert legen wird. Dies kann den Bieter daran hindern, ggf. abzuwägen, ob es für ihn aussichtsreicher ist, sich unter Inkaufnahme von Abzügen bei weniger wichtigen Punkten auf einzelne besonders wichtige Punkte zu konzentrieren oder alle Punkte gleichermaßen, aber nicht optimal zu bedienen. Die VSt kann die in den Bewerbungsbedingungen aufgeführten 10 Aspekte nicht dahin umdefinieren, dass es sich nicht um „Unterkriterien“ handele. Alle Merkmale, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es der VSt ankommt, sind Unterkriterien (OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.09.2020, 11 Verg 7/20). Das ist hier der Fall. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass der VSt die Angabe der Gewichtung der Unterkriterien hier objektiv nicht möglich gewesen sei.

Zur Anschlussbeschwerde der ASt stellt das OLG Celle noch klar, dass die Aufnahme einer Preisanpassungsklausel in die Vergabeunterlagen nicht verlangt werden kann. Bei einem Leistungszeitraum von 4 Jahren stellt es keine unverhältnismäßige Belastung der Bieter dar, wenn sie im Rahmen ihrer Kalkulation etwaige Preissteigerungen insbesondere der Deutschen Post AG prognostizieren und das verbleibende Risiko tragen müssen.

Praxishinweis

Vorliegend ist es der Vergabestelle negativ angekreidet worden, dass sie zwar 10 verschiedene Merkmale angegeben hat, die sie bei der Bewertung des Realisierungskonzepts anwenden wird, diese aber nicht untereinander gewichtet hat. Das wäre nach Ansicht des Vergabesenats aber möglich und auch erforderlich gewesen.

Autor

Dr. Eva-D. Leinemann, LL.M., Notarin in Berlin

Dr. Eva-D. Leinemann, LL.M., Notarin in Berlin

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