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Unterkostenangebote sind nicht per se auszuschließen!

Mit Beschluss vom 08.08.2024 hat die Vergabekammer Niedersachsen klargestellt, dass den Bieter im Rahmen der Aufklärung eines als zweifelhaft erkannten Angebotspreises eine Mitwirkungsobliegenheit trifft.

VK Niedersachsen, Beschluss vom 08.08.2024, VGK-14/2024

Die Auftraggeberin (AG), eine Sektorenauftraggeberin, schrieb den Betrieb von Busverkehrsleistungen nach Maßgabe der SektVO aus. Als alleiniges Zuschlagskriterium wurde der niedrigste Preis festgelegt. Das Angebot der Beigeladenen (Bg) lag preislich erheblich unter dem der zweitplatzierten Antragstellerin (ASt). Die AG forderte die Bg zur Offenlegung ihrer Kalkulation auf und führte auch einen Aufklärungstermin durch. In diesem ging sie jedoch nicht auf sämtliche zuvor im Aufklärungsschreiben konkret benannten Punkte ein. Die ASt rügte, die Bg habe wesentliche Kostenelemente fehlerhaft oder unvollständig kalkuliert, weshalb das Angebot aus Sicht der ASt nicht auskömmlich sei. Zudem habe die AG - trotz des auffällig niedrigen Angebotspreises - keine hinreichende Preisaufklärung vorgenommen. Nach Zurückweisung der Rüge stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag. 

Ohne Erfolg! Ein Angebot ist nicht bereits deshalb von der Wertung auszuschließen, weil sein Preis unterhalb der eigenen Kostenkalkulation des Auftraggebers liegt. Bestehen beim Auftraggeber aufgrund eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots, ist er vielmehr gemäß § 54 SektVO - inhaltsgleich mit § 60 VgV - verpflichtet, eine vertiefte Prüfung vorzunehmen und eine umfassende Preisaufklärung durchzuführen. Die VK verweist in diesem Zusammenhang auf die mittlerweile überwiegend anerkannte sogenannte Aufgreifschwelle von 20 % gegenüber dem nächsthöheren Angebot. Wird diese Schwelle erreicht, besteht eine Pflicht zur Aufklärung. Nach entsprechender Aufforderung obliegt es dem Bieter, durch nachvollziehbare und widerspruchsfreie Angaben sowie durch geeignete objektive Nachweise eine schlüssige Darlegung seiner Kalkulation zu ermöglichen. Der Bieter hat sämtliche relevanten Kostenelemente transparent zu erläutern und so aufzubereiten, dass eine sachgerechte und objektive Prüfung erfolgen kann.

Liefert der Bieter im Rahmen dieser Aufklärung nachvollziehbare und konsistente Angaben und erweist sich die Kalkulation trotz etwaiger Verluste oder einer äußerst knappen Wirtschaftlichkeit als nachvollziehbar, steht dies der Zuschlagserteilung nicht entgegen. Maßgeblich ist allein, ob die vertraglich geschuldete Leistung inhaltlich und qualitativ ordnungsgemäß erbracht werden kann und ob die hierfür erforderlichen betrieblichen Kapazitäten tatsächlich zur Verfügung stehen. Gerade bei langfristigen Vertragsverhältnissen kann eine vorübergehende Kalkulation unterhalb der Vollkosten betriebswirtschaftlich plausibel sein - etwa zur Sicherung von Marktanteilen, zur besseren Auslastung vorhandener Kapazitäten oder zur Deckung fixer Gemeinkosten.

Bestehen demnach keine durchgreifenden Zweifel an der Realisierbarkeit der angebotenen Leistung, ist ein sogenanntes Unterkostenangebot nicht vom Wettbewerb auszuschließen. Ein automatischer Ausschluss aufgrund eines signifikanten Preisunterschieds ist vielmehr unzulässig, solange die Kalkulation nach sachgerechter Prüfung als wirtschaftlich vertretbar angesehen werden kann. Nach Auffassung der Vergabekammer ist ein solches Vorgehen sogar im Sinne der Wettbewerbsförderung geboten, sofern die Erfüllbarkeit des Auftrags nicht gefährdet wird.

Fazit

Ein „Unterkostenangebot“ ist somit erst dann nicht zuschlagsfähig, wenn feststeht, dass die angebotene Leistung zu dem genannten Preis tatsächlich nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann, der Bieter seiner Mitwirkungspflicht bei der Preisaufklärung nicht nachkommt oder lediglich pauschale, inhaltsleere Erklärungen abgibt. In diesen Konstellationen ist der Auftraggeber berechtigt - und gegebenenfalls verpflichtet - das Angebot vom weiteren Verfahren auszuschließen.

Autor

Aliena Metken

Aliena Metken

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