News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 03/2025
Zum Umgang mit Wissensvorsprüngen
Wissensvorsprünge, die ein Bieter aus einer früheren Leistung für den Auftraggeber erlangt hat, stellen nicht per se einen Wettbewerbsvorteil dar, der gegenüber den weiteren Bietern ausgeglichen werden muss.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.05.2025, 1 Verg 1/25
Der Antragsgegner (AG) führte ein offenes Vergabeverfahren zur Erstellung von Vermessungsplänen sowie zum Modellaufbau und zur Berechnung von Hochwassergefahrenkarten für Gewässer durch. Zuschlagskriterien waren Qualität und Preis. Sowohl die Antragstellerin (ASt) als auch die Beigeladene (Beige) gaben Angebote ab. Der Preis der Beige lag aufgrund eines hohen Nachlasses knapp unter dem der ASt. Dieser Nachlass beruhte darauf, dass die Beigeladene bereits im Rahmen eines früheren Projekts („2D-Starkregenmodell“) Vorleistungen für den AG erbracht hatte und die dort gewonnenen Daten wiederverwenden konnte.
Die ASt richtete während des Vergabeverfahrens eine Bieteranfrage an den Auftraggeber (AG) und bat um Zugang zu denselben Daten, um ihren Aufwand zu reduzieren. Der AG lehnte dies ab, da er nicht Auftraggeber des früheren Projekts gewesen sei. Dies sei eine Landestochter gewesen. Nach Bekanntgabe der Zuschlagsabsicht an die Beige rügte die ASt die Entscheidung wegen ungleicher Ausgangsbedingungen. Der AG half der Rüge nicht ab, weshalb die Ast Nachprüfungsantrag stellte.
Mit Erfolg! Der Nachprüfungsantrag der Ast ist begründet. In der Sache erkannte der Vergabesenat eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 2 GWB). Zwar lag keine vergaberechtswidrige Vorbefassung im Sinne von § 7 Abs. 1 Alt. 2 VgV vor, da das frühere Projekt unabhängig vom hier streitgegenständlichen Verfahren durchgeführt wurde. Der daraus resultierende Informationsvorsprung begründete jedoch eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung, wenn der Auftraggeber einen solchen nicht ausgleicht.
Die Beigeladene konnte durch Nutzung früherer Projektdaten erhebliche Vorarbeiten einsparen und dadurch einen ungewöhnlich hohen Preisnachlass gewähren. Ein solcher Vorteil hätte vom Auftraggeber neutralisiert werden müssen, etwa durch Bereitstellung der relevanten Daten an alle Bieter. Dass der Auftraggeber die Daten nicht selbst erhoben hatte, ändert daran nichts, sofern er - wie hier - rechtlich oder tatsächlich Zugriff auf sie hat.
Der Auftraggeber war daher verpflichtet, für gleiche Informationsgrundlagen gegenüber allen Bietern zu sorgen. Da dies unterlassen wurde, war die Zuschlagsentscheidung vergaberechtswidrig.
Fazit
Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB verlangt, dass der öffentliche Auftraggeber allen Bietern die gleichen Informationen zur Verfügung stellt. Zwar sind Wissensvorsprünge einzelner Bieter, die zu wirtschaftlich attraktiveren Angeboten führen, grundsätzlich zulässig. Wenn der Auftraggeber aber über relevante Daten verfügt oder Zugriff darauf hat, muss er sicherstellen, dass sämtliche Bieter Zugang dazu erhalten. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der öffentliche Auftraggeber bestimmte Bieter selektiv aktiv informiert oder bestehende Wissensvorsprünge einzelner Unternehmen einfach unberücksichtigt lässt, obwohl er diese ausgleichen könnte. Entscheidend ist also nicht nur die Quelle des Wissensvorsprungs, sondern auch, ob der Auftraggeber rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, allen Bietern gleiche Wettbewerbsbedingungen zu verschaffen.
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