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11.03.2024 Die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör und die Vollstreckbarkeit von ausländischen Schiedssprüchen

In einem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs kann eine Partei die Verletzung rechtlichen Gehörs auch dann erfolgreich rügen, wenn sie in dem Staat, in der Schiedsspruch erlassen wurde, keine Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt hat.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2023 – I ZB 37/23

Wer vor einem ausländischen Schiedsgericht gewinnt, kann den Schiedsspruch in Deutschland von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklären lassen. Eine solche Anerkennung und Vollstreckbarerklärung richtet sich nach §§ 1025, 1061 Abs.1 ZPO in Verbindung mit dem New Yorker Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1958 (UNÜ). Im Verfahren vor den deutschen staatlichen Gerichten wird die materielle Richtigkeit des Schiedsspruchs grundsätzlich nicht mehr überprüft. Fehlentscheidungen in der Sache sind bei Schiedssprüchen - mit wenigen Ausnahmen - hinzunehmen.

Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung kann jedoch von deutschen Gerichten versagt werden, wenn eine Partei im Schiedsverfahren ihr Recht auf rechtliches Gehör versagt wurde. Dies schließt mit ein, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Partei zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht.

Im vorliegenden Fall ging es nun darum, ob eine Partei auch dann noch die Verletzung rechtlichen Gehörs rügen kann, wenn ihr die Möglichkeit offenstand im Staat des Schiedsgerichts (dem „Erlassstaat“) Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch einzulegen, sie hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat. Der BGH entschied nun klar zu Gunsten der Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde: eine Partei kann die Verletzung rechtlichen Gehörs auch dann erfolgreich rügen, wenn sie im Erlassstaat keine Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt hat. Der BGH begründet dies nicht zuletzt damit, dass eine Partei durchaus ein legitimes Interesse haben kann, im Erlassstaat keine Rechtsmittel einzulegen, wie etwa die Vermeidung eines kostenintensiven Verfahrens zur Aufhebung des Schiedsspruchs, oder weil ihr die Vollstreckung des Schiedsspruchs im Erlassstaat ohnehin keine Nachteile bereiten kann, etwa weil die Partei dort gar kein Vermögen hat.

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Nicht nur schafft sie Klarheit, sie stärkt auch das Recht, sich erfolgreich gegen die Verletzung eines der Grundpfeiler unseres Rechtssystems zur Wehr zu setzen: der Verletzung rechtlichen Gehörs.


Michael Göger, LL.M.


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