News | Newsletter | Neues zum Baurecht 02/2025
Augen auf im Rahmen selbständiger Beweisverfahren: Ablauf der Verjährungshemmung bereits mit sachlicher Erledigung der Beweissicherung
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.02.2025, 12 U 9/23
Das OLG Schleswig setzt sich mit der prozesstaktisch relevanten Frage auseinander, wann die Hemmung der Verjährung von (Gewährleistungs-)Ansprüchen durch die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens seine Wirkung verliert. Entgegen der langläufigen Annahme ist es entscheidend, abhängig vom Verlauf des selbstständigen Beweisverfahrens zu differenzieren.
Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) erbringt im Rahmen eines VOB/B Einheitspreis-Vertrags für den Auftraggeber (AG) Rohbauarbeiten. Nach Vertragsschluss vereinbaren die Parteien, dass die vom AN zu erbringende Gewährleistungsbürgschaft erst dann zurückzugeben ist, wenn etwaige Mängelgewährleistungsansprüche des AG verjährt sind.
Im Rahmen der Vertragserfüllung macht der AG verschiedene Mängel geltend, die vom AN bestritten werden. Vor Gericht streiten die Parteien über eine offene Werklohnforderung des AN sowie um die Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft. Der AG wehrt sich gegenüber dem AN mit der Vorhaltung der mangelhaften Werkleistung. Dem Prozess vorgeschaltet war die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahren.
Die Kernfrage, mit welcher sich das Gericht prozessual auseinanderzusetzen hatte, war, ob die Gewährleistungsansprüche des AG zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt waren oder durch diese der Lauf der Verjährung erneut gehemmt werden konnte.
Entscheidung
Die typisch juristische Antwort: Es kommt darauf an.
Gemäß § 204 Abs. 2 BGB endet die zunächst eingetretene Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens, konkret wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Diese sachliche Erledigung tritt aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein, abhängig vom Verlauf des selbstständigen Beweisverfahrens. Findet in dessen Rahmen eine mündliche Verhandlung statt, so endet das Beweisverfahren mit Schluss des Termins, in dem die Beweisaufnahme durchgeführt wird. Findet stattdessen keine mündliche Verhandlung statt, tritt hingegen die Beendigung der Beweissicherung bereits in dem Zeitpunkt ein, sobald das Gutachten an das Gericht übermittelt wurde und die Prozessbeteiligten nicht rechtzeitig etwaige Einwendungen oder Ergänzungsfragen erheben. Findet eine Einlassung der Beteiligten auf das gegenständliche Gutachten statt, endet die sachliche Beweissicherung mit der Erklärung des Gerichts, dass keine weitere Beweisaufnahme sattfindet.
Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt, wie wichtig es ist, zur Frage der Hemmnis der Verjährung den Ablauf des aus diesem Grunde durchgeführten selbstständigen Beweisverfahrens genau zu betrachten. Der langläufigen Annahme, ein selbstständiges Beweisverfahren fände sein sachliches Ende erst mit der Übermittlung des Sitzungsprotokolls oder dem Erlass des Streitwertbeschluss, tritt die gegenständliche Entscheidung entschieden entgegen.
Abhängig von den Umständen des Einzelfalls ist es für den Anspruchssteller mithin geboten, alsbald nach Ende des selbstständigen Beweisverfahrens Klage zu erheben, will er nicht Gefahr laufen, aufgrund nunmehr eingetretener Verjährung seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen zu können.
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