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„Ca. 8 Wochen“ können auch 5 Monate sein – Zur wirksamen Vereinbarung verbindlicher Leistungstermine

OLG Hamm, Beschluss vom 07.09.2021 – 21 U 10/20

Schon am 07.09.2021 hatte das OLG Hamm entschieden, dass die Vereinbarung wirksamer Vertragsfristen übereinstimmende und hinreichend bestimmte Erklärungen der Vertragsparteien voraussetzt. Mit Beschluss vom 29.03.2023 hat der BGH nun die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG Hamm zurückgewiesen. Der Beschluss des OLG Hamm vom 07.09.2021 wurde damit endgültig rechtskräftig. Einseitig durch den Auftraggeber gesetzte Terminvorgaben reichen demnach für verbindliche Fertigstellungsfristen nicht aus. Ebenso genügt eine Vereinbarung von „ca.-Zeitangaben“ grundsätzlich nicht.

Was war passiert?

Im vom OLG entschiedenen Fall beauftragte ein Auftraggeber (AG) einen Auftragnehmer (AN) mit der Fertigung, Lieferung und Montage von über 300 Fenstern. Im Zuge der Vertragsverhandlungen kommunizierten die Parteien über mehrere Wochen per E-Mail. Zunächst übersandte der AN dem AG ein Angebot samt Terminplan, nach dem Montagebeginn „ca. sechs Wochen“ nach schriftlicher Freigabe der Werkplanung durch den AG sein sollte. Für die Montagedauer veranschlagte der AN „ca. acht Wochen“. Der AG übersandte dem AN wiederum eigene Terminpläne, die von dessen Terminplan abweichende, konkret bestimmte Fristen enthielten. Diesen widersprach der AN und übersendete seinerseits angepasste, erneut mit „ca.“-Angaben versehene Terminpläne an den AG. Noch während der Verhandlungen über die einzuhaltenden Termine begann der AN mit der Ausführung der Arbeiten, die letztlich fast fünf Monate dauerten. Im weiteren Verlauf stritten die Vertragsparteien darüber, ob die auszuführenden Arbeiten pünktlich fertiggestellt worden seien und der AG die – nach Grund und Höhe unstreitige – Schlussrechnung des AN um einen etwaigen Verzugsschadensersatzanspruch kürzen durfte. Hierbei begründete der AG seinen Schadensersatzanspruch ausschließlich damit, dass sich aus der Kommunikation der Parteien im Zuge der Vertragsverhandlungen eine nach dem Kalender bestimmte Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergäbe. Eine Mahnung gegenüber dem AN behauptete er zu keiner Zeit.

Inhalt der Entscheidung

In Erster Instanz hatte bereits das LG Bielefeld entschieden, dass der Werklohnanspruch des AN in voller Höhe bestehe, da die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Verzugsschadens durch den AG nicht vorlägen. Die Vereinbarung eines verbindlichen Fertigstellungstermins sei weder ausdrücklich noch konkludent zwischen den Parteien getroffen worden. Der AN habe sich mit der Leistung nicht in Verzug befunden.

Das OLG Hamm bestätigte diese Entscheidung in seinem Beschluss vom 07.09.2021. Nach Ansicht des Senats setzt die Vereinbarung verbindlicher Fristen – wie jede vertragliche Vereinbarung – übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien voraus. Hieran fehle es in dem zu entscheidenden Fall schon deshalb, da die zwischen den Parteien erfolgte Kommunikation die Vereinbarung bestimmter Ausführungs- und Fertigstellungsfristen nicht belege. „Ca.“-Angaben in Terminplänen stellen zudem keine geeignete Grundlage dar, um eine hinreichend nach dem Kalender bestimmte oder bestimmbare Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzunehmen. Die zeitlichen Angaben des AN seien bereits zu unbestimmt, um Grundlage für eine hinreichend nach dem Kalender bestimmte Leistungszeit im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB darzustellen. Da die kalendermäßige Bestimmung ein Mahnsurrogat darstelle, müssten die vereinbarten Fristen durch ihre Bestimmtheit der Informations- und Warnfunktion einer Mahnung gleichkommen. Eine verbindliche Fristvereinbarung sei nicht allein aufgrund der „ca.“-Angabe abzulehnen, da die Auslegung einer solchen Vereinbarung auch ergeben könne, dass die Parteien diese verbindlich vertraglich vereinbart hätten und in einer solchen Angabe auch ein Toleranzzeitraum gesehen werden könne. Vorliegend seien jedoch auch die weiteren benannten Voraussetzungen des AN ihrerseits zeitlich zu unbestimmt, um eine kalendermäßige Bestimmung von Fristen annehmen zu können. Übereinstimmend haben die Parteien vorgetragen, dass die „ca.“-Angaben hinsichtlich des Produktions- als auch des Montagebeginns dem Umstand geschuldet gewesen sind, dass der AG Mitwirkungshandlungen erbringen musste. Dies stehe einer Auslegung als verbindliche Termine entgegen.

Überdies wurde keiner der übersendeten Terminpläne der Parteien wirksam in den bestehenden Vertrag einbezogen, so das OLG. Auf das ursprüngliche Angebot des AN hatte der AG diesem ein eigenes Auftragsschreiben mit abweichenden Vertragsfristen übersandt. Darin sei eine abändernde Annahme und mithin ein neues Angebot gemäß § 150 Abs. 2 BGB zu sehen. Gleiches gelte für die Terminpläne des AG, denen der AN widersprochen hätte und zudem einen weiteren, eigenen Terminplan übersendet hätte. Auch eine spätere E-Mail des AG könne nicht nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens als vertragliche Vereinbarung verbindlicher Fristen gewertet werden. Zwar seien dieser unmittelbar Vertragsverhandlungen vorausgegangen. Angesichts zahlreicher Änderungen hinsichtlich verschiedener Vertragsbestandteile sowie abweichenden Terminangaben als Fix-Termine durfte der AG, der zudem auf diese Änderungen nicht hingewiesen hatte, nicht mit einem Einverständnis seines AN rechnen, so das OLG Hamm. Für eine wirksame Fristvereinbarung reiche die einseitige Festlegung einer konkreten Leistungszeit nicht aus. Zudem habe der AG umgehend eine E-Mail des AN mit dem Inhalt, dass der für das Projekt zuständige Sachbearbeiter in Urlaub sei und sich nach seiner Rückkehr melden werde, als Antwort erhalten. Eine Vereinbarung kraft Schweigens scheide mithin auch aus.

Fazit

Für die Praxis ist mit dieser Entscheidung die Wichtigkeit der Vereinbarung konkreter Leistungstermine, insbesondere für Auftraggeber, deutlich geworden. Häufig werden Schadensersatz- oder Vertragsstrafenansprüche an die Nichteinhaltung von Fertigstellungsfristen, bzw. im VOB-Vertrag an Vertragsfristen, geknüpft. Möchte man Fristen rechtssicher vereinbaren, so sollten sie idealerweise keine auslegungsbedürftigen Angaben wie „ca.“, „etwa“, „im Laufe des Monats“ oder „Mitte des Jahres“ enthalten. Andernfalls ist es ratsam, das Verständnis der verwendeten Begrifflichkeiten bei Vertragsschluss gemeinsam mit dem Vertragspartner festzulegen. Sollte dies zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht möglich sein, und die Angabe von Zeitfenstern bzw. Toleranzzeiträumen erforderlich werden, ist zu empfehlen, die Gründe hierfür schriftlich zu dokumentieren.

Autor

Aline Eßers

Aline Eßers

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