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„Nachunternehmerkosten sind nur erspart, soweit sie nicht gezahlt werden.“

KG, Beschluss vom 08.06.2022 - 21 U 107/19

Die Auftraggeberin (Beklagte) beauftragte die Auftragnehmerin (Klägerin) im Jahr 2015 mit Rohbauarbeiten für ein Bauvorhaben unter Einbeziehung der VOB/B. Die Auftragnehmerin beauftragt ihrerseits mit VOB/B-Vertrag einen Nachunternehmer mit dem überwiegenden Teil der geschuldeten Leistungen.

Im Jahr 2016 kündigte die Auftraggeberin den Vertrag mit der Auftragnehmerin. Die Abnahme der Leistungen fand statt. Die Parteien streiten darüber, ob ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorlag und welche Kosten erstattungsfähig sind. Die Auftragnehmerin rechnet daraufhin auf Basis einer freien Kündigung ab. Sie bewertet einen zahlbaren Betrag für nicht erbrachten Leistungen i.H.v. 473.500,19 Euro. Darin enthalten sind Kosten von 353.447,60 Euro, welche der Nachunternehmer gegenüber der Auftragnehmerin in seiner Schlussrechnung berechnet hat. Die Auftragnehmerin hatte ihrerseits die mangelnde Prüffähigkeit der Rechnung der Nachunternehmerin gerügt, noch nicht bezahlt und befindet sich mit dieser ebenfalls in einem Rechtsstreit, in welchem noch kein Urteil ergangen ist, sondern zunächst ein Beweisbeschluss erlassen wurde. Die Auftragnehmerin klagte auf Feststellung, dass die Auftraggeberin verpflichtet ist, die sich aus der Abrechnung für nicht erbrachte Leistungen ergebene Vergütung zu zahlen.

Das Kammergericht gab der Auftragnehmerin Recht. Der Feststellungsantrag ist begründet, wenn der Auftragnehmerin noch ein weiterer Anspruch aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B gegen die Auftraggeberin in Höhe der Inanspruchnahme durch die Nachunternehmerin zusteht. Das ist der Fall.

Zunächst stellte das Kammergericht fest, dass die Kündigung der Auftraggeberin eine ordnungsgemäße schriftliche und freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B darstellt. Zu einer außerordentlichen Kündigung war die Auftraggeberin nicht berechtigt. Insbesondere lag kein Fall des § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 7 oder § 5 Abs. 4 VOB/B vor. Hierzu fehlte substantiierter Vortrag. Der pauschale Hinweis darauf, die Auftragnehmerin habe die Fertigstellung empfindlich verzögert bzw. mehrmals die Leistung eingestellt, entspricht nicht den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag.

Somit hat die Auftragnehmerin Anspruch auf vertragsgemäße Vergütung der nicht erbrachten Leistungen. Sie muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. Erspart sind die Aufwendungen, die der Unternehmer bei der Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Maßgeblich sind die tatsächlich ersparten, nicht die kalkulatorisch ersparten Aufwendungen.

Nachunternehmerkosten sind nur erspart, soweit sie nicht gezahlt werden. Sofern zum Zeitpunkt der Abrechnung des Auftragnehmers mit dem Auftraggeber noch nicht klar ist, welche Vergütung der Nachunternehmer beanspruchen kann, kann der Auftragnehmer die volle Nachunternehmervergütung als Ersparnis abziehen und später nachfordern, wenn die Vergütung feststeht.

Fazit

Der Auftragnehmer ist nach einer freien Kündigung so zu stellen, wie er bei Durchführung des Vertrags gestanden hätte. Anzurechnen ist nur das, was der Auftragnehmer infolge der Nichtausführung des konkreten Vertrags erspart. Oft werden im Fall einer Kündigung auch die Nachunternehmerverträge frei gekündigt werden müssen, so dass die Kosten der Nachunternehmer größtenteils anfallen und nicht erspart sind.

Das Kammergericht hat bestätigt, dass sofern im Fall einer Kündigung Fragen zu den ersparten Aufwendungen noch offen sein sollten, der Auftragnehmer trotzdem die Schlussrechnung stellen kann. Er behält die Möglichkeit auch später noch Kostenpositionen zu ändern und nachzufordern, falls Kosten doch nicht erspart worden sind. Zur Verjährungshemmung dieses Vergütungsanspruchs kann dann Feststellungsklage erhoben werden.  

Autor

Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.

Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.

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