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Zwischentermine können konkludent vereinbart werden!

KG, Urteil vom 26.04.2022, 21 U 1030/20

Eine Auftraggeberin (AG) wollte im Jahr 2013 das Dachgeschoss eines Wohngebäudes umbauen. Für den Umbau besaß sie bereits eine Baugenehmigung. Die AG beauftragte einen Architekten mit der Unterstützung zur Einreichung von Nachträgen zur Baugenehmigung sowie mit der Erstellung einer Ausführungsplanung und von Leistungsverzeichnissen für das Vorhaben. Die AG wies bei Abschluss des Architektenvertrages darauf hin, dass ein möglichst zeitnaher Baubeginn wichtig sei. Der Architekt sagte zu, erforderliche Kapazitäten im Januar und Februar zu haben, sodass im März 2014 mit der Baumaßnahme begonnen werden könne. Da der Architekt bis Ende März die Ausführungsplanung und die Leistungsbeschreibungen nicht erstellt hatte, forderte die AG ihn unter Fristsetzung dazu auf und kündigte nach Ablauf der Frist den Architektenvertrag. Der Architekt erhob Klage und forderte sein vollständiges Honorar abzüglich ersparter Aufwendungen, weil er von einer freien Kündigung durch die AG ausging. Dies sah die AG anders. Es handele sich nach ihrer Ansicht bei der Vertragsbeendigung um eine Kündigung aus wichtigem Grund. Dem Architekt stehe daher lediglich die Vergütung für die erbrachten Leistungen zu.

Das Kammergericht gab der AG Recht. Die Vertragsbeendigung wirke als außerordentliche Kündigung. Der Architekt sei seiner Pflicht zur rechtzeitigen Leistung nicht nachgekommen. Die Parteien hätten zumindest konkludent Zwischenfristen für die Ausführungsplanung und die Leistungsverzeichnisse dahingehend vereinbart, dass der Architekt seine Leistung zum Anfang März hätte erbringen müssen. Grundsätzlich richte sich die Fälligkeit einer vertraglichen Leistung nach dem ausdrücklichen oder konkludenten Willen der Parteien und den sonstigen Umständen (§ 271 Abs. 1 BGB). Werden mehrere Leistungen aus einem einheitlichen Vertrag geschuldet, könne es dem Willen der Vertragsparteien entsprechen, wenn diese Leistungen nacheinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig werden. Für die Fälligkeit einzelner Teilleistungen sei nicht zwingend erforderlich, dass die Parteien Fälligkeitszeitpunkte mithilfe von Zwischenfristen oder -terminen festlegen. Im Wege der Vertragsauslegung könne auch ein Zeitpunkt datiert werden, der nicht kalendermäßig vereinbart wurde. Bei Unklarheiten sei auf die Vermutung des § 271 Abs. 1 BGB zurückzugreifen, nach der die Fälligkeit entweder sofort oder, wenn ein Leistungszeitraum umstritten ist, zum früheren der in Betracht kommenden Zeitpunkte eintrete. Umfasst ein Vertrag aufeinander aufbauende zeitlich einander nachfolgende Teilleistungen, dann könne deren sukzessive Fälligkeit zu gesonderten Terminen im Interesse des AG sein. Eine gesonderte Fälligkeit von aufeinander aufbauenden Teilleistungen sei auch ohne die Vereinbarung expliziter Zwischenfristen und -termine jedenfalls konkludent anzunehmen, wenn die AG im Interesse einer zügigen Vertragsdurchführung darauf erkennbar Wert lege und der Architekt sich darauf einlasse.

Fazit:

Der AG kann ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zustehen, wenn für einzelne Teilleistungen Zwischenfristen vereinbart wurden. Eine Vereinbarung von Zwischenfristen kann nach Auffassung des Kammergerichts auch konkludent erfolgen. Ratsam ist jedoch die Aufnahme von Zwischenterminen in den Vertrag, wenn sie für den AG von besonderer Bedeutung sind. Dies beugt Unsicherheiten und Streitigkeiten vor.

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

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