News | Newsletter | Neues zum Baurecht 04/2025
Neues zum Dauerbrenner „Bauzeitliches Anordnungsrecht des Auftraggebers?“
Oberlandesgericht Celle Urt. v. 14.05.2025, Az.: 14 U 238/24
Das OLG Celle musste sich u.a. mit den durchweg praxisrelevanten Fragen der Anwendbarkeit von BGB-Bauvertragsnormen auf VOB/B-Bauverträge sowie dem Bestehen eines bauzeitlichen Anordnungsrechts des Auftraggebers auseinandersetzen.
Der Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) wird vom Auftraggeber (AG) auf der Grundlage der VOB/B mit Sicherungsmaßnahmen in einem untertagigen Stollensystem beauftragt. Der AG ordnet eine Reduzierung der arbeitstäglichen Verfüllmenge an, was zu einer Effizienzminderung und damit zu erhöhten Kosten auf Seiten des AN führt. Der AN sieht hierin eine Änderungsanordnung des AG und unterbreitet ihm ein Nachtragsangebot. Mit diesem werden Mehrkosten in Form einer Zulage wegen Reduzierung der arbeitstäglichen Verfüllmenge geltend gemacht. Den Nachtrag stützt der AN auf § 650c Abs. 3 BGB. Der AG nimmt das Nachtragsangebot jedoch nicht an, was den AN dazu veranlasst vor Gericht zu ziehen.
Der AN war in der gerichtlichen Vorinstanz mit seiner Vergütungsforderung bisher gescheitert.
Die Entscheidung
Das OLG verneint einen Vergütungsanspruch des AN aus § 650c Abs. 3 BGB.
Zunächst orientiert sich das Oberlandesgericht Celle an der als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung, die ein Vorgehen nach § 650c Abs. 3 BGB auch bei einem VOB/B-Bauvertrag zulässt. Die VOB/B-Normen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB dar, die die gesetzlichen Regelungen des Bauvertragsrechts aus dem BGB lediglich modifizieren bzw. ergänzen. Die VOB/B enthält aber keine Regelung, die dem § 650c Abs. 3 BGB entspricht, womit letztgenannte Norm Anwendung findet.
Nach Ansicht des OLG Celle fehlt es jedoch bereits an einer Anordnung des AG im Sinne des § 650b BGB, die ein Vergütungsanspruch nach § 650c Abs. 3 BGB zwingend voraussetzt.
Der Besteller kann nach § 650b Abs. 1 S. 1 BGB zwei Arten der Vertragsanpassung begehren, nämlich eine Veränderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) und eine Änderung der zur dessen Erreichung notwendigen Leistungen (§ 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB). Werkerfolg in diesem Sinne ist der funktionale Bauerfolg. Die Änderungen müssen damit die bautechnischen Leistungen, den sog. Bauinhalt betreffen. Nicht vom Begriff der Änderungsanordnung im Sinne des § 650b Abs. 2 BGB erfasst werden hingegen Änderungen, die sich lediglich auf die Bauumstände, insbesondere die Bauzeit, beziehen. Genau dies hatte der AN aber selbst mittels Schriftsatz dem OLG Celle vorgetragen.
Praxishinweisung
Für Auftragnehmer bedeutet die Entscheidung einmal mehr, dass sie sich bzgl. Vergütungsfragen nicht allein auf die VOB/B-Regelungen beschränken lassen müssen, sondern auch Rückgriff auf das BGB nehmen können. Eine Anordnung des AG im Sinne des § 650b Abs. 1 S. 1 BGB vorausgesetzt. Soweit nichts Neues.
Interessant erscheint indes, dass der Grundtenor der gegenständlichen Entscheidung (kein einseitiges bauzeitliches Anordnungsrecht des Auftraggebers) im Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.09.2024 (Az.: VII ZR 10/24) steht. Auch wenn es der BGH in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich so geurteilt hat, kann der Richterspruch nur so verstanden werden, dass einem AG dem Grunde nach ein bauzeitliches Anordnungsrecht zusteht. Andernfalls hätte es keinerlei Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob im dortigen Sachverhalt die Erklärungen des AG als Willenserklärungen, also gerichtet auf eine konkrete Rechtsfolge, oder nur als reine Wissenserklärungen auszulegen sind.
Es bleibt abzuwarten, welche Tendenz sich zur Frage des bauzeitlichen Anordnungsrechts des Auftraggebers auf lange Sicht durchsetzen wird.
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