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Böswillige de-facto-Vergabe

Mit Urteil vom 17.8.2016 (1 U 159/14) hat sich der OLG Saarbrücken dazu geäußert, ob ein Architekt seinen Honoraranspruch gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber durchsetzen kann, wenn die zugrunde liegenden Verträge unter gezielter Missachtung des Vergaberechts geschlossen wurden.

Sachverhalt

Ein auf Projektsteuerung spezialisiertes Architekturbüro klagt gegenüber einer öffentlichen Auftraggeberin offenstehende Vergütungsansprüche ein. Bereits vor Abschluss der betroffenen Verträge war das Architekturbüro für diese Auftraggeberin in erheblichem Umfang tätig. Mit Blick auf den beabsichtigten Neubau eines Museums schlossen die Auftraggeberin und das Architekturbüro dann mehrere Verträge nebst Ergänzungsvereinbarungen. Nach staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den damaligen Vorstand der Auftraggeberin kündigte diese sämtliche mit dem Architekturbüro bestehenden Verträge aus wichtigem Grund. Der Vorstand ist dann später tatsächlich wegen Untreue sowie Vorteilsnahme im Zusammenhang mit einer Zahlung an den Geschäftsführer des Architekturbüros strafrechtlich verurteilt worden. Das Architekturbüro verlangt im Wege der Klage die Zahlung der noch offenstehenden Vergütung für erbrachte und infolge der Kündigung nicht mehr erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen. Im Gegenzug macht die Auftraggeberin widerklagend die Rückzahlung der geleisteten Vergütung geltend. In der I. Instanz sind Klage und Widerklage abgewiesen worden.

Entscheidung

Das OLG Saarbrücken bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Die streitgegenständlichen Vereinbarungen sind wegen kollusivem – böswilligem – Zusammenwirken der Parteien bei Außerachtlassung der nach dem Vergaberecht zwingend erforderlichen EU-weiten Ausschreibung gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. 

Das Gericht lässt offen, ob bereits Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB vorliegt. Ob die Vergabevorschriften Verbotsgesetze in diesem Sinne darstellen, ist umstritten, wird aber wohl überwiegend verneint. Gegen ein solches Verständnis spricht, dass das gesetzliche Verbot der Zuschlagserteilung im Kartellvergaberecht an die Voraussetzungen geknüpft ist, dass wegen des Beschaffungsvorhabens ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet und dem öffentlichen Auftraggeber der Nachprüfungsantrag zugestellt worden sein muss. Hieraus folgt, dass allein die Missachtung der Vergaberegeln nach dem Willen des Gesetzgebers nicht bereits zu einem Zuschlagsverbot führt. 

Ein ohne Durchführung eines rechtlich gebotenen Vergabeverfahrens erteilter Auftrag verstößt aber gegen die guten Sitten, wenn der öffentliche Auftraggeber in bewusster Missachtung des Vergaberechts handelt und er überdies mit dem Auftragnehmer kollusiv zusammenwirkt. Da sich das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte auf das Rechtsgeschäft als solches und nicht auf das Handeln der Beteiligten oder die Umstände beim Abschluss des Rechtsgeschäfts bezieht, können die Umstände nur dann zur Nichtigkeit führen, wenn sie dem Rechtsgeschäft trotz indifferenten Inhalts ein sittenwidriges Gepräge geben. 

Die streitgegenständlichen Vereinbarungen unterfallen dem Kartellvergaberecht. Darauf, ob der damalige Vorstand bei Unterzeichnung der Verträge erkennbar unter Missbrauch der ihm eingeräumten Vertretungsmacht gehandelt hat, kommt es für die Nichtigkeit nicht an. Der Vorstand der Auftraggeberin und der Geschäftsführer des Architekturbüros haben nämlich bei Abschluss der Verträge unter Außerachtlassung der vergaberechtlichen Vorschriften böswillig zusammengewirkt. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich. Es reicht, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Dem steht es dabei gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Erkenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Sittenwidrig können auch Geschäfte sein, durch die Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder die im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl stehen. Dann müssen alle an dem Geschäft Beteiligten sittenwidrig handeln, also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen. 

Vorliegend wusste sowohl der Vorstand der Auftraggeberin als auch der Geschäftsführer des Architekturbüros, dass die streitgegenständlichen Vereinbarungen dem Vergaberecht unterfielen und EU-weit hätten ausgeschrieben werden müssen. Dennoch haben sie diese Verträge ohne Ausschreibung direkt miteinander abgeschlossen. So hatte im Vorfeld des Vertragsschlusses bereits ein Rechtsanwalt für die Auftraggeberin die Vergabepflichtigkeit bejaht und eine Bekanntmachung entworfen. Aufgrund gemeinsamer Besprechungen war dies sowohl dem damaligen Vorstand der Auftraggeberin als auch dem Geschäftsführer des Architekturbüros bekannt.

Weder der Auftraggeberin, noch dem Architekturbüro stehen Ansprüche auf Herausgabe ihrer erbrachten Leistungen zu. So ist eine Rückforderung gem. § 817 BGB ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last fällt. An dem unrechtmäßigen Vertrag soll nicht weiter verdient werden können. Wie auch bei Schwarzarbeit ist daher ein Wertersatz ausgeschlossen, damit ein Auftragnehmer sein Honorar nicht auf Umwegen noch verlangen kann. Ebenso wenig steht aber auch dem Auftraggeber ein Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Werklohns zu. 

Praktische Hinweise

Eine eindeutige Entscheidung. Wirken Auftragnehmer und Auftraggeber böswillig mit dem Ziel einer Umgehung des Vergaberechts zusammen, so ist nicht nur der betroffene Vertrag nichtig. Auch Rückforderungsansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen. Eine Versagung jeden zivilrechtlichen Schutzes ist schon zur Abschreckung geboten.

Autor

Dr. Thomas Kirch

Dr. Thomas Kirch

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