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Sonderwünsche nach Abschluss eines Bauträgervertrages müssen notariell beurkundet werden!

OLG München, Urteil vom 14.08.2019, 9 U 3345/17 Bau

Ein Bauträger verpflichtet sich mit notariellem Vertrag zur Errichtung einer Doppelhaushälfte nebst Tiefgarage zu einem Gesamtpreis in Höhe von EUR 1.160.500,00. In dem Bauträgervertrag mit den Erwerbern wurde unter anderem vereinbart, dass Sonderwünsche ausschließlich mit Zustimmung des Bauträgers zulässig sind und die dadurch verursachten Mehr- oder Minderkosten den geschuldeten Kaufpreis erhöhen oder vermindern. Nach Abschluss des Bauträgervertrages vereinbaren der Bauträger und die Erwerber die Ausführung weiterer Sonderwünsche sowie die dadurch entstehenden Sonderwunschkosten und die Folgen einer verspäteten Fertigstellung aufgrund von Sonderwünschen. Die Erwerber nahmen die Doppelhaushälfte im nachfolgenden ab und zahlten die bis zu diesem Zeitpunkt unstreitigen Kaufpreisraten an den Bauträger. Zudem wurde den Erwerbern der Besitz verschafft. Die Erwerber begehrten mit ihrer Klage die Auflassung und Grundbucheintragung. Der Bauträger trat dem entgegen und wendete unter anderem ein, dass die Sonderwunschvereinbarung nichtig sei, weil sie nicht notariell beurkundet wurde. Diese Nichtigkeit führe zur Nichtigkeit des Bauträgervertrages, weil die Auflassung nicht schon beurkundet worden und mit den Sonderwünschen die ursprüngliche Vereinbarung entfallen und ersetzt worden sei.

Das OLG München wies die Einwände des Bauträgers zurück. Es stellte klar, dass Sonderwünsche, die nach Abschluss eines Bauträgervertrages vereinbart werden, notariell zu beurkunden sind. Denn nachträgliche Zusatzleistungen führen zu einer Änderung und Ergänzung der ursprünglichen Leistung aus dem Bauträgervertrag und sind - soweit die Auflassung noch nicht erklärt wurde - grundsätzlich formbedürftig. Ein Verstoß gegen die Formbedürftigkeit und damit die Nichtigkeit von Sonderwunschvereinbarungen führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Bauträgervertrages, sondern nur zur Nichtigkeit der nachträglichen Vereinbarung. Das OLG stellt klar, dass es für die Ermittlung des hypothetischen Willens der Parteien und somit für die Wirksamkeit des Bauträgervertrages auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt, also auf den ursprünglichen Vertragsabschluss abzustellen ist. In diesem Zeitpunkt ist jedoch ein hypothetischer Wille dahingehend, dass der Vertrag nur im Zusammenhang mit der späteren Vertragsänderung gelten soll, denklogisch ausgeschlossen, weil die Parteien den Vertrag anderenfalls gar nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. Im Gegenteil: Die Parteien haben in dem Bauträgervertrag ausdrücklich geregelt, dass Sonderwünsche mit Zustimmung des Bauträgers zulässig sind und wie mit den Kosten umzugehen ist und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass auch bei nachträglichen Sonderwünschen der eigentliche Bauträgervertrag aufrechterhalten werden soll, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt durch Sonderwünsche modifiziert wird.

Fazit:

Die Entscheidung ist sachgerecht und praxisnah. Denn nach Abschluss eines Bauträgervertrages werden für das noch zu errichtende Bauvorhaben regelmäßig Änderungen vereinbart. Solche Sonderwünsche werden als Abweichungen von dem als Standardausführung angebotenen Leistungspaket des Bauträgers beschrieben (vgl. Basty, der Bauträgervertrag, 9. Auflage 2017, Rn. 922) und können in der Form höherwertige Materialien oder auch in zusätzlichen Baumaßnahmen bestehen. Solche auch nur unwesentlichen Änderungen können jedoch keinen Einfluss auf den bereits formgerecht abgeschlossenen ursprünglichen Bauträgervertrag haben.

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

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