Section-Image

Informations- und Aufklärungspflichten beim Verkauf eines Shopping-Centers

BGH, Urteil vom 01.02.2013 – V ZR 72/11

Im vorliegenden Fall verkaufte die Beklagte ein mit einem Einkaufszentrum bebautes Grundstück. Der Kaufpreis von knapp 12 Millionen Euro ergab sich aus der Multiplikation der Jahresmieten mit dem Faktor 11,33. Mehr als die Hälfte des Einkaufzentrums war – in Kenntnis der Käuferin – an die S. AG vermietet. Diese vermietete die Räume wiederum unter. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um Altverträge handelte, nutzte die S. AG die Untervermietung der Räume zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses allerdings nur noch kaum. Der Verkäufer hatte die Höhe der Mieteinnahmen garantiert und sich vertraglich dazu verpflichtet, der Käuferin die Mietvertragsunterlagen einschließlich aller Nachträge und Zusatzvereinbarungen sowie der Mieterkorrespondenz auszuhändigen. Der Verkäufer hatte somit eine vertragliche Informationspflicht übernommen. Nach Vertragsschluss stellte die Käuferin fest, dass die eingenommenen Untermieten von der S. AG für das Einkaufszentrum bei weitem nicht den vertraglich garantierten Mieten entsprachen.

Der BGH hielt in seinem Urteil fest, dass, wenn angegebene Mieteinnahmen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund besonderer Umstände ein falsches Bild über die Ertragsfähigkeit des Grundstückes vermitteln, der Verkäufer über diese Umstände aufklären muss, sofern sie für die Kaufentscheidung des Käufers von wesentlicher Bedeutung sind.

Im Einzelnen:

Für jede Vertragspartei besteht prinzipiell die Pflicht, die andere Partei über Umstände aufzuklären, die für dessen Vertragsentschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Bei Grundstückskaufverträgen muss der Veräußerer etwa alle Informationen weitergeben, die mit der Beschaffenheit der Immobilie zu tun haben. Grundsätzlich muss er jedoch nicht über die Ertragsfähigkeit des Grundstückes aufklären. Dies kann jedoch dann zu erwarten sein, wenn sich eine solche Aufklärungspflicht aus dem Vertrag ergibt, der Verkäufer eine solche Pflicht vertraglich übernommen hat oder der Käufer seinen Kaufentschluss wesentlich von der Ertragsfähigkeit des Grundstückes abhängig macht, aufgrund besonderer Umstände einer Fehlvorstellung über die Höhe der zu erzielenden Erträge unterliegt und der Verkäufer die Fehlvorstellung des Käufers erkennt.

Der aus einem Grundstück gezogene Nutzen zur Zeit des Vertragsabschlusses gilt nach allgemeiner Verkehrsanschauung, aus Sicht des BGH, als ein sicherer Maßstab und als eine der wichtigsten Grundlagen für die Ertragsfähigkeit und damit für die Wertschätzung eines Objektes. Ein beachtlicher Unterschied zwischen den vereinbarten Mieten für ein Kaufobjekt und die vom Mieter erzielten Untermieten – wie es hier der Fall war – kann daher ein Umstand sein, auf den der Verkäufer unaufgefordert hinweisen muss.

Eine solche Mitteilungspflicht kann gegebenenfalls nicht bestehen, wenn sich der zu zahlende Kaufpreis nicht auf die tatsächliche Nutzung des Grundstückes bezieht. Vorliegend bezog sich das Angebot der Klägerin für das Grundstück und das darauf stehende Einkaufszentrum zwar mehr auf die in der Vergangenheit bereits eingenommenen Mieten als auf die tatsächliche Nutzung zum Vertragszeitpunkt. Denn diese war davon geprägt, dass die Hauptmietverträge nur noch eine zweijährige Restlaufzeit hatten und es einige Leerstände gab. Da die Käuferin in Kenntnis dieser Umstände ihr Angebot abgab, konnte der Verkäufer davon ausgehen, dass die Käuferin – eine Investmentgesellschaft – eigene Ziele mit dem Einkaufszentrum verfolgt.

Wenn ein Verkäufer sich allerdings vertraglich zu einer Informationspflicht verpflichtet, dann muss er dem Käufer unaufgefordert bestimmte Auskünfte erteilen oder Unterlagen zur Verfügung stellen. Laut BGH können die in einem Kaufvertrag vereinbarten Informationspflichten dabei über das hinausgehen, was der Verkäufer grundsätzlich aufgrund der sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergebenden Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Käufers mitzuteilen verpflichtet gewesen wäre. Deshalb, so der BGH, könne ein Schadensersatzanspruch nach §280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Nichterfüllung einer im Kaufvertrag vereinbarten Informationspflicht begründet sein.

Fazit:

Es ist festzuhalten, dass der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet ist, wenn der Käufer bei Abgabe seines Angebots wegen besonderer Umstände einer Fehlvorstellung über die tatsächliche Nutzung eines Kaufobjektes unterliegt und diese wesentlich für seinen Kaufentschluss ist. Eine vertraglich übernommene Informationspflicht kann weiter gefasst sein, als das, was der Verkäufer gesetzlich vor Abschluss des Vertrages mitzuteilen verpflichtet ist.

Autor

Michael Göger, LL.M.

Michael Göger, LL.M.

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Ulrich Neumann: Auch die Übersendung per Telefax wahrt die gesetzliche Schriftform des § 550 BGB

     

  • Shushanik Röcker, LL.M.: BGH zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch