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Die Genehmigung im Milieuschutz – Voraussetzungen, Versagungsgründe und Ausnahmen

In Milieuschutzgebieten unterliegen Rückbau (Abriss), Änderung (z.B. Anbau oder Umbau) und Nutzungsänderung (Nutzung zu einem anderen als dem ursprünglich genehmigten Zweck) baulicher Anlagen (sowie gegebenenfalls die Umwandlung in Wohn- und Teileigentum) einer Genehmigungspflicht (Ein Überblick wird hier dargestellt). Auf Antrag wird diese Genehmigung gem. § 173 Abs. 1 BauGB durch die Gemeinde erteilt, es sei denn, es ist zusätzlich auch eine baurechtliche Genehmigung oder Zustimmung erforderlich – dann liegt die Zuständigkeit bei der Baugenehmigungsbehörde. Gem. § 173 Abs. 3 BauGB hat die Gemeinde, bevor sie eine Entscheidung über den Antrag trifft, eine Erörterung mit dem Eigentümer und gegebenenfalls anderen Betroffenen über die Möglichkeit der Erhaltung und Nutzung des Gebäudes sowie der Unterstützung bei der Erhaltung zu führen.

Zwar wird man wohl ohne Weiteres sagen können, dass in der Praxis die Versagung der Genehmigung die Regel ist. Rechtlich darf die Genehmigung gem. § 172 Abs. 4 S. 1 BauGB jedoch nur versagt werden, um einer Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung aus „besonderen städtebaulichen Gründen“ vorzubeugen. Ein Grund für eine Versagung ist demnach gegeben, wenn von den geplanten Maßnahmen die potentielle Gefahr ausgeht, dass sie Auswirkungen nach sie ziehen, die dem Satzungsziel Milieuschutz zuwiderlaufen. Ein solcher Grund kann beispielsweise bestehen, wenn die vorhandene Infrastruktur auf die ansässige Wohnbevölkerung zugeschnitten ist und bei ihrer Verdrängung an anderer Stelle nicht ohne weiteres ersetzbar wäre (VGH Kassel DVBl. 1986, 693), wenn durch sie Abwanderungsbewegungen ausgelöst würden, die negative Folgen für andere Stadtquartiere hätten (BVerwG ZfBR 1997, 311), oder insbesondere wenn beabsichtigte Modernisierungsmaßnahmen zu einer Miethöhe führen, die über einer gebietsspezifischen Höchstbelastungsgrenze liegen (VGH Kassel NVwZ-RR 1993, 401; Zu den Voraussetzungen an die Ermittlung dieses Höchstbelastungswertes: BVerwG ZfBR 1997, 311).

In § 172 Abs. 4 S. 2 und 3 BauGB sind allerdings Sonderregelungen enthalten, die der Gemeinde die Erteilung der Genehmigung darüber hinaus gesetzlich vorschreibt, wenn einer der hier aufgeführten Fälle gegeben ist. Diese betreffen zum Teil Modernisierungsmaßnahmen, zum Teil die Umwandlung in Wohnungs- oder Teileigentum.

  • Wenn das Vorhaben zwar den Zwecken der Satzung zuwiderläuft, aber eine Versagung dem Eigentümer auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls wirtschaftlich unzumutbar ist, ist die Genehmigung gem. § 172 Abs. 4 S. 2 BauGB zu erteilen. Ob eine solche wirtschaftliche Unzumutbarkeit vorliegt, ist im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Wohl der Allgemeinheit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit zu ermitteln. Bei der Bewertung der Zumutbarkeit kommt es allerdings nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers an, sondern es ist auf das Gebäude in seinem Erhaltungszustand und seinen Erhaltungsmöglichkeiten abzustellen.
  • Ein Genehmigungsanspruch ist gem. § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB weiterhin gegeben, wenn eine geplante bauliche Änderung der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Das Abstellen auf die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen bedeutet, dass es dem Eigentümer nicht versagt werden kann, die bauliche Anlage in einen Zustand zu versetzen, zu dem er bei einer erstmaligen Errichtung verpflichtet wäre. Sie dienen als Indiz zur Bestimmung dessen, was als zeitgemäßer Ausstattungsstandard zu betrachten ist. Abzustellen ist immer auf die „durchschnittliche“ Wohnung, wie sie in diesem Gebiet oder in anderen Gebieten von Bevölkerungsschichten der Art, aus der sich die Wohnbevölkerung des betreffenden Milieuschutzgebietes zusammensetzt, beansprucht wird. Es soll also vermieden werden, dass durch die Satzung die vorhandenen Standards unterschritten werden, gleichzeitig soll „Luxusmodernisierungen“, die eine Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung bewirken kann, vorgebeugt werden. So ist beispielsweise eine Modernisierung der Sanitär-, Frischwasser-, Abwasser- und Elektroinstallation zur Angleichung an die durchschnittlichen Standards wohl zulässig. Der Einbau einer Loggia in eine Dachgeschosswohnung hingegen nicht (BVerwG, Urt. v. 18.06.1997 – 4 C 2/97 –, Rn. 20), es sei denn, dies entspricht dem Standard im Erhaltungsgebiet. Soweit mit der beabsichtigten Maßnahme über den hier umrissenen Standard hinausgegangen werden soll, besteht der Anspruch aus § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB nicht und die Genehmigungsfähigkeit richtet sich nach § 172 Abs. 4 S. 1 BauGB. (Mitschang in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 172 Rn. 51-53)
  • Die Genehmigung ist gem. § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1a BauGB außerdem zu erteilen, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen aus §§ 3 ff. der Energieeinsparverordnung (EnEV) dient. Wenn die Maßnahmen folglich zur Erreichung des in der Verordnung dargelegten energieeinsparungsrechtlichen Mindeststandards (also wiederum nicht darüber hinaus) dienen, besteht ein Anspruch auf Genehmigung.

Sofern die jeweilige Landesregierung eine Rechtsverordnung erlassen hat, wonach die Umwandlung in Wohn- oder Teileigentum in Milieuschutzgebieten von der Erteilung einer Genehmigung abhängig gemacht wird, sind weiterhin folgende Sonderfälle von Relevanz:

  • In §§ 172 Abs. 4 S.3 Nr. 2 – 5 BauGB wird dem Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung einer Umwandlung zugestanden, wenn das Grundstück zu einem Nachlass gehört und unter den Erben bzw. Vermächtnisnehmern aufgeteilt werden soll; wenn eine Wohnung durch einen Familienangehörigen des Eigentümers genutzt werden soll; wenn ansonsten bereits bestehende Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können; und wenn ein leerstehendes Gebäude gar nicht zu Wohnzwecken genutzt wird.
  • Schließlich ist in § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 6, S. 4, 5 BauGB noch geregelt, dass dem Eigentümer die Genehmigung zur Umwandlung zu erteilen ist, wenn er sich verpflichtet, im Zeitraum von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter, die in ihr leben, zu veräußern. Dies gilt auch, wenn die Wohnungen zum Zeitpunkt der Umwandlung noch leer standen. Andererseits sind Mieter, die von Anfang an nur in das Mietverhältnis eingetreten sind, um die Wohnung zu erwerben, nicht von der Vorschrift umfasst (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 – 4 C 1/03, Rn. 45). Ist die Frist abgelaufen, entfällt die Beschränkung. Zur Sicherung der Verpflichtung des Eigentümers kann die Gemeinde bei der Genehmigung der Begründung von Wohneigentum weiter bestimmen, dass die Veräußerung des Wohneigentums innerhalb der sieben Jahre ihrerseits einer Genehmigung bedarf, was dann auch im Grundbuch festgehalten werden kann.

Es zeigt sich, dass in engen Grenzen ein gewisser Spielraum für Maßnahmen an der Immobilie im Bereich von Milieuschutzgebieten vom Gesetzgeber belassen wird. Wie weit dieser im Einzelnen reicht, ist Gegenstand zahlreicher Gerichtsurteile. In dieser Ausgabe werden in diesem Zusammenhang weiterführend einige ausgewählte Entscheidungen zu den Themen Modernisierungsmaßnahmen, Wirtschaftliche Unzumutbarkeit, Umwandlung in Wohneigentum und Gemeindliches Vorkaufsrecht besprochen.

Autor

Shushanik Röcker, LL.M.

Shushanik Röcker, LL.M.

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Michael Göger, LL.M.: Die Bedeutung von Milieuschutz im Städtebau – Ein Überblick