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Haftstrafe für Bürgermeister bei unwirtschaftlicher Direktvergabe?

Leitprinzip des Vergaberechts ist nach § 97 Abs. 1 S.2 GWB der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Wann ein Verstoß hiergegen auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, hatte der BGH jüngst zu entscheiden.

Der Sachverhalt

Ein Oberbürgermeister, der nach der Geschäftsordnung zur eigenständigen Vergabe von Aufträgen bis zu einer Höhe von EUR 25.000 berechtigt war und höhere Ausgaben nur im Einvernehmen mit dem Stadtrat oder einem Ausschuss tätigen durfte, beauftragte ein privates Detektivbüro im Wege der Direktvergabe, um das Fehlverhalten einiger Mitarbeiter des städtischen Baubetriebshofs nachzuweisen. Ohne vorab die Marktüblichkeit der Preise überprüft zu haben, kam letztlich eine Honorarsumme in Höhe von über EUR 300.000,00 zusammen, die der angeklagte Oberbürgermeister zur Zahlung freigab.

Die strafrechtliche Relevanz dieses Vorgehens war Gegenstand der BGH-Entscheidung.

Die Entscheidung

Der BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 5 StR 366/19 - stellte fest, dass das LG Saarbrücken zutreffend von einer Verletzung des Sparsamkeits- und Wirtschaftlichkeitsgebots ausging. Dieses bezweckt die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen, indem die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird. Der BGH führt aus, dass dieses Prinzip indes nur solche Maßnahmen verhindern soll, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind. Der Sparsamkeitsgrundsatz verpflichte deshalb nicht zur Kostensenkung um jeden Preis.

Hieraus folge, dass ein Entscheidungsträger im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht stets pflichtwidrig handelt, wenn er nicht das sparsamste, also niedrigste, Angebot wählt. Beim Unterlassen eines Preisvergleichs oder einer Ausschreibung komme eine Strafbarkeit vielmehr nur bei evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstößen in Betracht. Zudem konnte im Rahmen der Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht belegt werden, dass der Angeklagte von vornherein einen Auftrag im Wert von über 25.000 Euro vergeben wollte und deshalb seine Treuepflicht verletzt hat.

Vorliegend führte nicht bereits der Umstand, dass eine Detektei, deren Honorar über den marktüblichen Preisen lag, beauftragt wurde, zu einem strafrechtlich relevanten Pflichtverstoß des Bürgermeisters. Vielmehr durfte dieser bei der Vergabe auch Faktoren wie Seriosität, Auftreten am Markt, Größe, Dauer des Bestehens, vorliegende Bewertungen und den persönlichen Eindruck berücksichtigen. Daher war der Tatbestand der Untreue mangels eines evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstoßes vorliegend nicht erfüllt.

Bezüglich der fehlenden Markterkundung entschied der BGH, dass dies zwar vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots aus § 97 Abs. 1 GWB pflichtwidrig erscheint. Allerdings seien bei der Beurteilung einer Strafbarkeit die Besonderheiten der konkreten Dienstleistung zu beachten. Bei Detektivdienstleistungen herrschten große Unterschiede zwischen den Detekteien und das Berufsbild sei ungeregelt, sodass ein evident übersetzter Preis nicht feststellbar sei.

Allerdings verwies der BGH die Sache mit dem Hinweis, dass die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Treuepflichtverletzung durch Unterlassen vorliegen könnten, an das LG Saarbrücken zurück: Der angeklagte Oberbürgermeister hätte spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Forderung einer Abschlagszahlung in Höhe von 100.000 Euro im Raum stand, bemerken müssen, dass der Rahmen einer eigenständigen Auftragsvergabe weit überschritten war. Dass er es daraufhin unterlassen hat, den Vertrag zu kündigen, wozu er jederzeit ohne Einhaltung einer Frist berechtigt gewesen wäre, und den Sachverhalt dem Stadtrat zur Entscheidung über die Fortsetzung des Vertrages vorzulegen, könne nach Auffassung des Senats einen Untreuevorwurf begründen.

Praxishinweise

Auch dann, wenn eine Direktvergabe naheliegt, sollte stets eine Markterkundung in Betracht gezogen werden. Zumindest in Fällen, in denen eine Überschreitung bestimmter festgelegter Wertgrenzen möglich erscheint – etwa dann, wenn keine Pauschalangebote zugrunde liegen – sollte eine vorherige detaillierte Schätzung des voraussichtlichen Aufwands erfolgen und bei Annäherung an die Wertgrenze entsprechend reagiert werden, ggfs. auch mit der Durchführung eines Vergabeverfahrens.

Der hier entschiedene Fall unterstreicht eindrücklich, dass auch kleinere Aufträge im Unterschwellenbereich im Zweifel ausgeschrieben werden sollten, um auch nur den Anschein eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge von vornherein auszuschließen. Denn bei Einhaltung der vergabe- und haushaltsrechtlichen Vorgaben kann die Erfüllung des Straftatbestandes der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB ausgeschlossen werden und strafrechtliche Konsequenzen sind nicht zu befürchten.

Autor

Kristin Beckmann

Kristin Beckmann

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