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Der Entwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes

Nachdem der Entwurf eines „Vergaberechtstransformationsgesetzes“ der Ampelregierung wegen der Neuwahl des Deutschen Bundestages scheiterte, hat die neue Bundesregierung zur Novellierung des Vergaberechts den Entwurf eines „Vergabebeschleunigungsgesetzes“ beschlossen. Hierzu hat der Bundesrat am 26.09.2025 Stellung genommen. Am 10.10.2025 soll der Gesetzentwurf erstmalig im Bundestag beraten werden.

Ziel des Gesetzes

Die Bundesregierung strebt eine weitreichende Reform des Vergaberechts an, um öffentliche Beschaffungsvorgänge einfacher, schneller und flexibler zu gestalten. Damit soll die Bewältigung der derzeitigen großen und dringlichen Herausforderungen, wie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erneuerung und Verbesserung der Infrastruktur und die Digitalisierung, unterstützt werden.

Zwei wesentliche Aspekte

Zwei wesentliche Neuregelungen des aktuellen Gesetzentwurfs fassen wir im Folgenden zusammen und möchten sie kritisch bewerten. Zum einen die Ausnahmen vom Gebot der losweisen Vergabe, zum anderen die Einschränkungen beim Rechtsschutz:

  • Das Gebot der losweisen Vergabe ist das zentrale Instrument zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen in Vergabeverfahren. Teil- und Fachlose dürfen gemäß § 97 Abs. 4 S. 2, 3 GWB nur zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Der Entwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes sieht für dringliche Infrastrukturvorhaben Abweichungen vor, die aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ finanziert werden. Voraussetzung soll sein, dass der geschätzte Auftragswert den EU-Schwellenwert mindestens um das Zweieinhalbfache übersteigt. Der Auftraggeber soll im Fall einer Gesamtvergabe eines Infrastrukturprojekts seinen Auftragnehmer dazu verpflichten können, bei der Vergabe von Unteraufträgen die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen besonders zu berücksichtigen. Angesichts der notwendigen Beschleunigung im Infrastrukturbereich hätte man sich hier etwas mehr Mut gewünscht. Nicht nur Straßen und Schienen, sondern auch Schulen und Schwimmbäder müssen wieder in einen funktionsfähigen Zustand gebracht werden. Daher sollte der Losgrundsatz stärker und praxisgerechter flexibilisiert werden. Gerade den Kommunen fehlen die personellen Mittel, um oft mehr als 20 Einzelgewerke für ein Bauvorhaben zügig und sachgerecht zu vergeben. Oft sind Unstimmigkeiten bei der Vertragsdurchführung die Folge. Gesamtvergaben sollten zukünftig im Einzelfall und ohne großen Begründungsaufwand möglich sein, wenn dies aus wirtschaftlichen, technischen oder auch zeitlichen Gründen zweckmäßig ist.
  • Eine vieldiskutierte Änderung betrifft die „zweite Instanz“ im Vergabenachprüfungsverfahren. Die sofortige Beschwerde soll nach § 173 Abs. 1 GWB-RefE künftig keine aufschiebende Wirkung mehr gegenüber ablehnenden Entscheidungen der Vergabekammer haben. Die bislang in § 173 Abs. 2 GWB vorgesehene Möglichkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur Beschwerdeentscheidung, dem praktisch immer entsprochen wurde, soll gestrichen werden. Damit hat der vor der Vergabekammer unterlegene Bieter zukünftig keine gesicherte Möglichkeit mehr, die Vergabekammerentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen, um seine Zuschlagschance zu wahren. Ob dies im Hinblick auf die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben an den gerichtlichen Rechtsschutz zulässig ist, erscheint zweifelhaft. Die erstinstanzlichen Entscheidungen ergehen unter großem Zeitdruck, die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle ist essenziell. Mit Blick auf den vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz wäre es sinnvoller, die vielfach überlasteten Vergabekammern angemessen auszustatten. Ein Weg, um das oftmals als zu lang empfundene Beschwerdeverfahren bei „eindeutiger“ Rechtslage abzukürzen und bei „unklarer“ Rechtslage die Zuschlagschance zu erhalten, wäre es gewesen, die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nur im Ausnahmefall zu gewähren. Die Hoffnung, der jeweilige Auftraggeber werde sich im Falle der Beschwerde gut überlegen, ob er vor einer Entscheidung des Oberlandesgerichts tatsächlich schon den Zuschlag erteilt und ggf. Schadensersatzansprüche in Kauf nimmt, ist kein durchschlagendes Argument.

Fazit

Das Ziel, das Vergaberecht zu vereinfachen und Vergabeverfahren zu beschleunigen, wird seit jeher mit jeder Vergaberechtsreform angestrebt. Vereinfachung und Beschleunigung müssen in einen sachgerechten und zeitgemäßen Ausgleich mit dem Schutz des Wettbewerbs und den Rechten der Bieter gebracht werden. In weiten Teilen schaffen die Neuregelungen Raum für pragmatische Lösungen und damit auch die Chance auf etwas weniger Bürokratie. Hinsichtlich der Einräumung von Möglichkeiten zur Gesamtvergabe wäre etwas mehr Mut begrüßenswert, um gerade Großprojekte partnerschaftlich mit der Auftragnehmerseite bewältigen zu können. Kritisch zu sehen ist die vorgesehene Streichung der aufschiebenden Wirkung einer sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer, mit der ein Nachprüfungsantrag zurückgewiesen wurde.

Autor

Dr. Martin Büdenbender

Dr. Martin Büdenbender

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