News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 04/2025
Unbefristete Vertragslaufzeit vergaberechtskonform
Ein auf unbestimmte Dauer geschlossenes Vertragsverhältnis ist im Vergaberecht grundsätzlich möglich und verliert nicht ohne Weiteres nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums seine Wirkung. Abgesehen von wenigen Ausnahmen gibt es im europäischen und deutschen Vergaberecht keine allgemeine Regelung zu einer maximalen Vertragsdauer.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.07.2024, Verg 11/24
Die Antragstellerin (ASt), ein privates Unternehmen, war im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung im Jahr 2021 mit der Versetzung von Seelotsen auf See von der Antragsgegnerin (AG) beauftragt worden. Die AG erklärte gegenüber der ASt im September 2023 die außerordentliche Kündigung dieses Vertrages. Seitdem wurde die Leistung auf Anordnung der AG wieder von der Beigeladenen (Beige) erbracht. Zwischen der AG und der Beige bestand nämlich seit dem Jahr 1998 ein unbefristeter Vertrag, mit dem die AG der Beige den Betrieb der Lotseinrichtungen übertragen hatte, aus dem sie aber nach Beauftragung der ASt keine Leistungserbringung mehr gefordert hatte.
Die ASt reichte daraufhin einen Nachprüfungsantrag ein, mit dem sie die Vergabe der Lotsversetzdienstleistungen ab Ende August 2023 ohne europaweites Vergabeverfahren an die Beige beanstandete. Die Vergabekammer verwarf den Antrag als unstatthaft. Daraufhin legte die ASt sofortige Beschwerde ein. Sie machte unter anderem geltend, dass der Vertrag aus dem Jahre 1998 nicht dazu dienen könne, über Jahrzehnte immer wieder konkrete Leistungsabrufe einer Rahmenvereinbarung vergabefrei zu ermöglichen.
Ohne Erfolg! Das OLG Düsseldorf wies die sofortige Beschwerde zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass durch die erstmalige Vergabe der Versetzleistungen an ein privates Unternehmen die Leistungspflicht der Beige nicht beendet worden sei. Vielmehr existiere sie in einem Stufenverhältnis fort, falls der Primärverpflichtete ausfalle, was für besonders systemrelevante Tätigkeiten im Bereich der kritischen Infrastruktur auch zulässig und geboten sei.
Weiterhin handele es sich bei dem Vertrag aus dem Jahr 1998 nicht um eine Rahmenvereinbarung, die wegen Zeitablaufs oder Erreichen einer Höchstmenge ihre Wirkung verloren hätte. Vorliegend habe der streitgegenständliche Vertrag nicht die Erbringung und Abrechnung einzeln abzurufender Lotsenversetzdienste festgelegt, sondern die Beige habe durchgängig eine konkrete Leistung gewährleisten müssen, was kennzeichnend für ein Dauerschuldverhältnis sei.
Ein auf unbestimmte Dauer geschlossenes Vertragsverhältnis verliere dabei nicht irgendwann ohne Weiteres seine Wirkung. So kenne das europäische und das deutsche Vergaberecht außerhalb der speziellen Vierjahresgrenze für Rahmenverträge nach § 21 Abs. 6 VgV - beziehungsweise von 8 Jahren nach § 19 Abs. 3 SektVO - sowie der ebenso speziellen Dreijahresgrenze für zusätzliche Lieferungen nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 VgV keine allgemeine Regelung zu einer maximalen Vertragsdauer.
Der Vergabesenat verwies zudem darauf, dass die Praxis der Vergabe eines unbefristeten öffentlichen Dienstleistungsauftrags zwar an und für sich der Systematik und den Zielen der Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Dienstleistungsaufträge fremd sei. Doch stellte er unter Bezugnahme auf das Pressetext-Urteil des EuGH (Urteil vom 19.06.2008, C-454/06) klar, dass auch das Gemeinschaftsrecht nach seinem derzeitigen Stand nicht den Abschluss von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen auf unbestimmte Dauer verbiete.
Fazit
Der Beschluss des OLG Düsseldorf bestätigt, dass es im Vergaberecht - bis auf wenige Ausnahmen - keine Obergrenze für die Dauer von Verträgen gibt und fördert damit die Rechtssicherheit. Einerseits bedeutet dies gerade bei unbefristeten Verträgen eine Einschränkung des vergaberechtlichen Ziels der Wettbewerbsförderung. Andererseits unterstreicht es die Gestaltungsfreiheit und das Ermessen von öffentlichen Auftraggebern hinsichtlich der Vertragslaufzeit. Empfehlenswert ist hierbei, den Vertrag sowohl vor der Ausschreibung als auch während der Vertragsdauer regelmäßig auf seine Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Zudem sollten Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen werden.
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