News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 04/2025
Zulässigkeit der Zuschlagskriterien „Souveränität im Vortrag“ und „Auftreten des Teams“
Bei einer Angebotspräsentation können nicht nur die inhaltlichen Teile („Was“) bewertet werden, sondern auch das „Wie“ der Präsentation, solange der erforderliche Auftragsbezug gegeben ist. Dieser Bezug kann sich dabei insbesondere aus einem Planungsvertrag ergeben.
BayObLG, Beschluss vom 11.06.2025, Verg 9/24
Der Antragsgegner (AG) schrieb europaweit einen Wettbewerb zur Planung und Realisierung von Apartmenthäusern an einer Klinik aus. Das Verfahren war als Planungswettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren ausgestaltet.
Der den Vergabeunterlagen zu entnehmen Planungsvertrag enthielt die Regelungen, dass die Planungsleistungen „(…) auch die jeweils notwendigen Teilnahmen an sämtlichen von der Auftraggeberin gewünschten Beratungen mit sämtlichen Bauunternehmern, Sonderfachleuten (…) und sonst am Bau Beteiligten, die erforderlichen Behördenabstimmungen und -gespräche (insbesondere auch mit der Fördermittelstelle) sowie die Koordinierung mit allen übrigen von den Baumaßnahmen Betroffenen (…)“ beinhalten.
Die Wertungsmatrix in der Angebotsphase sah vor, dass einzureichende Konzepte und Angebotsteile („Konzept zum Kosten- und Nachtragsmanagement“, „Konzept zur Terminsicherheit“ und „Vorschläge und konkrete Vorgehensweise zur entwurflichen Entwicklung im Planungsprozess“) in einer 20minütigen Präsentation näher beleuchtet werden sollten. Bewertet wurde dabei „inwieweit das Auftreten des Teams, die Souveränität im Vortrag und fachliche Kompetenz bei der anschließenden Diskussion und Beantwortung von Fragen folgende Qualität der Leistungserbringung im Hinblick auf die präsentierten Angebotsbestandteile erwarten lässt: Unzureichend = 0 / Mit einigen Mängeln = 20 / Durchschnittlich = 50 / Gut = 100“. Dies floss zu 10 % in die Gesamtbewertung ein.
Nach Einreichung der Erstangebote kam es zu umfangreichen Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller (ASt) und dem AG, die in einem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Nordbayern mündeten. Diese entschied unter anderem, dass das Bewertungskriterium „Präsentationstermin“, soweit es auch auf Aspekte wie das Auftreten des Teams oder die Souveränität im Vortrag abstellte, vergaberechtswidrig sei. Solche Kriterien beträfen nicht den inhaltlichen Teil („Was“), sondern lediglich die Art der Präsentation („Wie“) und würden keinen ausreichenden Auftragsbezug im Sinne des § 127 Abs. 3 GWB i. V. m. § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV aufweisen.
Die sofortige Beschwerde des AG gegen diese Entscheidung hatte Erfolg! Das BayObLG entschied, dass sich zwar mehrere Teile der Vergabeunterlagen als vergaberechtswidrig erwiesen (Bewertung des Honorars, Unzumutbarkeit der Angebotskalkulation sowie die vorgegebenen Kommunikationsmittel), nicht jedoch das Bewertungskriterium „Präsentationstermin“. Das BayObLG stellte dabei ausdrücklich fest, dass Aspekte wie das „Auftreten des Teams“ und die „Souveränität im Vortrag“ vorliegend einen hinreichenden Auftragsbezug aufweisen.
Zur Begründung führte der Senat aus, dass die in § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV aufgeführten Bewertungsaspekte nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht als abschließend zu verstehen seien. Er betonte, dass die Präsentationsqualität sowie die fachliche Kompetenz in Diskussionen und bei Fragen einen Bezug zur Qualität der Leistungserbringung hätten, da das Gelingen wesentlich vom souveränen und durchsetzungsstarken Auftreten des Architekten und des Projektleiters abhänge. Ein entsprechendes Anforderungsprofil ergebe sich vorliegend aus dem zitierten Passus des Planungsvertrags. Aufgrund der konkreten Umstände sei zu erwarten, dass die bewerteten Kriterien in erheblichem Maße das Niveau der Auftragsausführung beeinflussen können.
Fazit
Die Entscheidung stärkt den weiten Spielraum, den Auftraggeber bei der Festlegung der Zuschlagskriterien haben. Wichtig ist, dass ein Auftragsbezug besteht. Dieser war hier gegeben, da das Auftreten des Auftragnehmers als solches Teil des Leistungssolls ist und dies im Vertrag entsprechend abgebildet wird. Die Vergabepraxis muss jedoch beachten, dass bei der Bewertung ein nicht unerheblicher subjektiver Beurteilungsspielraum besteht und der Bewertungsprozess daher umfassend zu dokumentieren ist. Zwar ist dieser Spielraum nur eingeschränkt überprüfbar, er ist jedoch stets im Lichte des Transparenzgrundsatzes zu betrachten.
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