Der Spielbudenplatz ist mit einer fahrbaren Bühne sowie zwei Kiosken bebaut und zieht jährlich Hundertausende Besucher an.

Hamburger Spielbudenplatz

Aushängeschild der Hansestadt

Eigentlich ist Bastian Haverland bei Leinemann Partner ein alter Hase im Vergaberecht. Seine Expertise reicht vom Baugeschäft und dem Gesundheitswesen über die IT-Branche bis hin zu Transportdienstleistungen und Vergaben im sozialen Bereich. Doch die Konzessionsvergabe des Hamburger Spielbudenplatzes war auch für ihn juristisches Neuland. Warum das so ist, erklärt er im Interview mit Marcus Creutz.

Herr Haverland, worum ging es bei der Konzessionsvergabe am Spielbudenplatz in Hamburg?

Der Spielbudenplatz in St. Pauli ist direkt neben der Reeperbahn gelegen. Der Platz zieht mit Veranstaltungen wie NDR Grand Prix Party, St. Pauli Nachtmarkt, Street Food Session, Food Truck Festivals, Floh- und Designmärkten, EM- und WM-Fußballübertragungen sowie Livemusik jährlich Hunderttausende Besucher an. Da der Vertrag zwischen der Stadt Hamburg und der Spielbudenplatz-Betreibergesellschaft auslief, musste die Stadt die Nutzung und den Betrieb des Platzes neu ausschreiben.

Was war das Besondere an der Ausschreibung?

Die Vergabe erfolgte nach der seit 2016 geltenden Konzessionsverordnung. Das war die erste Ausschreibung dieser Art in Hamburg. Normalerweise ist die öffentliche Hand an Ausschreibungsrecht gebunden, wenn sie mit Steuergeldern eine Leistung als öffentlichen Auftrag bezahlen möchte. Beim Spielbudenplatz ist die Besonderheit, dass die Stadt für den Betrieb keinen Euro bezahlt. Deswegen ist es eine Konzession, denn hier wird einem Dritten (nur) das Recht zur Nutzung eingeräumt. Das Betriebsrisiko liegt bei diesem Auftragnehmer. Ab einem Wert von 5,548 Mio. Euro netto müssen Konzessionen europaweit ausgeschrieben werden. Und hier ist der Wert der Konzession weitaus höher, nämlich rund 26 Mio. Euro – auf sechs Jahre Laufzeit gerechnet.

Was mussten denn potenzielle Bewerber alles nachweisen?

Neben den üblichen Bewerbungsunterlagen mussten die Bewerber ein Gastronomie-, Logistik- und Kommunikationskonzept vorlegen, die jeweils mit 20 Prozent bewertet wurden. 40 Prozent entfielen auf das Zuschlagskriterium der Veranstaltungsplanung.

Am Ende machte dann der bisherige Betreiber das Rennen. Warum?

Abgesehen davon, dass die Stadt Hamburg mit dem bisherigen Betreiber zufrieden war und ihre Wünsche und Ziele in den neuen Betreibervertrag voll einbringen konnte, hatte er gegenüber Konkurrenten vor allem auch ein besseres Gastronomie- und Logistikkonzept. Letztendlich wurden die eingegangenen Konzepte nach einer zuvor veröffentlichten Zuschlagsmatrix von einem Gremium bewertet. Der Mitbieter lag in den Bereichen Nachhaltigkeit, Logistik/Lagerung, Umgang mit Konflikten sowie Nutzung der Bühne nicht vor dem bisherigen Betreiber. Ein Neuankömmling am Markt hätte sicherlich die schwierige Aufgabe gehabt, bestimmte Strukturen auch erst aufbauen zu müssen. Im Rahmen der Vergabekonzeption war es daher eine Herausforderung, anderen Bietern eine gleichberechtigte Chance zu ermöglichen.

Warum hat sich eigentlich aus den europäischen Nachbarländern niemand beworben, obwohl doch europaweit ausgeschrieben wurde?

Da es sich um eine der ersten Ausschreibungen dieser Art gehandelt hat, haben das andere Player im EU-Ausland gar nicht richtig wahrgenommen. Ich glaube aber auch, dass diese Ausschreibung doch sehr regional geprägt ist. Wie soll sich ein Spanier oder Italiener hier auf dem Kiez zurechtfinden? Anders gesagt: Es kann eigentlich nur jemand Bieter sein, der sich hier in der Szene auskennt, der die Verbindungen hat, der weiß, wie die Anlieger in der Gegend ticken.

Aus der Halb- und Unterwelt hat sich auch niemand beworben?

Nein (Haverland lacht), die entsprechenden Leute hätten auch keine Chance auf den Zuschlag gehabt. Der Spielbudenplatz ist eines der wichtigsten Aushängeschilder der Stadt Hamburg. Es handelt sich ja nicht um eine kleine Eckboxerkneipe. Deshalb war die Stadt auch sehr darauf bedacht, dass die Konzessionsvergabe transparent ablief.

Welche Kardinalfehler machen Bieter immer wieder?

Bieter machen immer wieder den Fehler, dass sie zu wenig auf die Vorgaben des Auftraggebers eingehen, obwohl die in den Vergabeunterlagen drinstehen. Der Bieter muss das Angebot Schritt für Schritt abarbeiten und zu den einzelnen Punkten der Zuschlagsmatrix Ausführungen machen, um dort möglichst viele Punkte zu bekommen. Nur wenige Bieter nehmen das so richtig auf. Die schauen einfach in ihre Schublade, entdecken da eine Werbebroschüre und geben die ab. Da muss man als Auftraggeber sagen: Nein, wir wollen genau wissen, wie du das hier bei uns konkret bei dem Projekt machst. Nur das können wir bewerten.

Welche weiteren Fehler fallen Ihnen auf?

Dass Bieter zu spät Fragen stellen. Die Teilnahme an der Vergabe zum Betrieb des Spielbudenplatzes war von den einzureichenden Unterlagen her sehr aufwendig. Was mich gewundert hat: Wir hatten fast überhaupt keine inhaltlichen Rückfragen – etwa danach, welche Gremien die Bieter überzeugen müssen oder etwaige Zielvorstellungen der Stadt Hamburg.

Was macht denn die Auftraggeberseite falsch?

Dass die Vergaben leider häufig in einer zu kurzen Zeit auf die Beine gestellt werden müssen. Es ist nachvollziehbar, dass dann auch manchmal die Qualität darunter leidet. Gerade die Wertungskriterien für die Zuschlagsmatrix sollte man sich reiflich überlegen. Sonst fällt es dem Auftraggeber im Vergabeverfahren sehr schwer, die Angebote richtig zu bewerten. Im laufenden Ausschreibungsverfahren können die Wertungskriterien nicht mehr angepasst werden.

Setzt sich mittlerweile die Qualität durch, oder ist nach wie vor der Preis ausschlaggebend?

Das ist nach wie vor problematisch. Denn die Vorschriften sind zwar so, dass man mehr auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz setzt. Aber der eigentliche Ausschreibungsprozess erfolgt dann doch wieder maßgeblich nach dem Preiskriterium. Das liegt auch an den haushaltsrechtlichen Vorgaben: Das Geld muss noch im laufenden Haushaltsjahr ausgegeben werden. Und dann neigt man dazu, schnell das Einfache zu wählen, statt sich durch zeitaufwendige Wertungskriterien zu quälen. Der Aufbau einer transparenten Zuschlagsmatrix mit Qualitätskriterien – und nicht nur dem Preis – ist ungleich schwieriger.

Räumen die Gesetze den Behörden Ermessen ein, weil man die Qualität nicht verpflichtend einfordert?

Ja, das ist so. Qualität und Nachhaltigkeit sind in den derzeitigen Vorschriften immer noch eher ein Appell, Merkmale der Leistungsbeschreibung „können“ Aspekte der Qualität und umweltbezogene Kriterien betreffen. Und man „soll“ den Lebenszyklus bewerten und dessen Kosten. Aber das ist jeweils nicht verpflichtend.

Und der Umweltschutz?

Umweltschutz ist wichtig, auch in Hamburg ist das ein Punkt. Im Hamburger Vergabegesetz steht, dass etwa bei Lieferleistungen umweltschonende Materialien zum Einsatz kommen sollen oder Transportleistungen energieeffizient und schadstoffarm zu erbringen sind. Aber es ist nicht so, dass das von vorneherein immer vorgegeben werden darf und muss. Denn die Einschränkung ergibt sich ja zwingend auch aus dem zur Verfügung stehenden Budget. Es bringt also nichts, für den Schulneubau die höchste Energieeffizienzklasse auszuschreiben, wenn das nicht bezahlbar ist. Deshalb werden solche Vorgaben im jeweiligen Einzelfall nach Haushalts- und Budgetlage in der Leistungsbeschreibung klar festgelegt.