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Doch noch nicht ganz Schluss mit den fiktiven Mangelbeseitigungskosten!

BGH, Urt. v. 27.09.2018 – VII ZR 45/17

Der BGH hat vor einigen Monaten entschieden, dass seine Argumentation zur Ablehnung der Schadensberechnung auf Grundlage der „fiktiven Mangelbeseitigungskosten“ nicht auf Werkverträge übertragbar sei, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden.

Der Auftraggeber beauftragte im Dezember 2001 einen Architekten mit der Erbringung der Leistungsphasen 6 bis 9 (Vorbereitung der Vergabe, Begleitung der Vergabe und Objektüberwachung) für geplante Straßenbauarbeiten. Daran anschließend beauftragte der Auftraggeber im Februar 2002 ein Unternehmen mit der Realisierung dieser Arbeiten. Vor Ablauf der Gewährleistungsfrist rügte der Auftraggeber Mängel. Das Unternehmen stellte die Mängel nicht ab. Auf Grund dessen nahm der Auftraggeber das Unternehmen auf Kostenvorschuss und den Architekten auf Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten in Anspruch.

Das Landgericht Koblenz hat der Klage teilweise stattgegeben. Das OLG Koblenz hat das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und unter Abweisung der Klage im Übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufungen das Unternehmen und den Architekten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Auftraggeber einen Betrag in Höhe von EUR 541.496,69 zu zahlen. Auf die (Anschluss-)Revisionen der Parteien hat der BGH die Sache an das OLG Koblenz zurück verwiesen und den Hinweis erteilt, dass der Auftraggeber den Schadensersatzanspruch gegen den Architekten auf Grundlage der fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechnen könne.
Der BGH (BGH, Urt. v. 22.02.2018 - VII ZR 46/17) hat vor einigen Monaten entschieden, dass für Werkverträge nach dem 01.01.2002 die Schadensberechnung nicht an Hand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten erfolgen könne, soweit der Auftraggeber den Schaden nicht beseitigen lässt. Der Auftraggeber könne von dem Werkunternehmer entweder Kostenvorschuss für die noch auszuführende Mangelbeseitigung oder Freistellung von den zur Mangelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen. Hat der Auftraggeber den Mangel bereits beseitigt, könne er Schadensersatz in Höhe der für die Mangelbeseitigung aufgewendeten Kosten verlangen. Lässt der Auftraggeber den Mangel nicht beseitigen, bemesse sich sein Schaden entweder im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks oder - bei Veräußerung des Objekts - nach dem konkreten Mindererlös. Zwar kann der Auftraggeber von dem Architekten keine Nacherfüllung – und damit keinen Kostenvorschuss gem. § 637 Abs. 3 BGB – verlangen, wenn sich die Mängel der Planung und/oder der Bauüberwachung bereits in dem Werk realisiert haben. Gleichwohl könne der Auftraggeber von dem Architekten Kostenvorschuss verlangen, weil er ansonsten das Vorfinanzierungs- und Insolvenzrisiko des Architekten tragen müsste. Lässt der Auftraggeber den Mangel nicht beseitigen, könne er auch von dem Architekten „nur“ Schadensersatz in Höhe entsprechend der Vermögensbilanz oder dem konkreten Mindererlöses verlangen. Der BGH hat in dieser Entscheidung offen gelassen, ob dies auch für vor dem 01.01.2002 geschlossene Werkverträge gilt.

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass diese Rechtsprechung nicht auf Werkverträge übertragbar sei, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden. Zur Begründung heißt es in dem Urteil nur, dass der Gesetzgeber mit der ab dem 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierung eine Harmonisierung des Schadensersatzrechtes geregelt habe, die auf das „alte“ Schuldrecht nicht übertragbar sei. Folglich könne der Auftraggeber von dem Architekten Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten verlangen.

Für die (noch) rechtshängigen Verfahren aus dem „alten“ Schuldrecht bedeutet dies, dass der Vortrag der Parteien nicht an die Entscheidung des BGH vom 22.02.2018 (VII ZR 46/17) „anzupassen“ ist. Darüber hinaus dürfte die Entscheidung keine allzu große Relevanz (mehr) haben, weil Mängelansprüche aus Werkverträgen vor dem 01.01.2002 in den allermeisten Fällen abgewickelt sein dürften.

Autor

Dr. Danilo Rosendahl

Dr. Danilo Rosendahl

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