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Vorsicht bei Vertragsstrafenregelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen!

Nach Ansicht des OLG Karlsruhe ist eine in den AGB des Auftraggebers (AG) vorformulierte Vertragsstrafenregelung unwirksam, wonach die von dem Auftragnehmer (AN) zu zahlende Vertragsstrafe für die schuldhafte Überschreitung vereinbarter Zwischenfristen nicht auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zwischenfrist tatsächlich zu erbringenden Werkleistung, sondern an Hand der Netto-Schlussrechnungssumme zu berechnen ist. In diesem Zusammenhang sei auch die Kumulation einzelner Vertragsstrafen unwirksam. Sofern die Vertragsstrafe für die Überschreitung der Zwischenfristen inhaltlich, optisch und sprachlich nicht hinreichend von der Vertragsstrafe für die Überschreitung des Gesamtfertigstellungstermins trennbar ist, sei die gesamte Vertragsstrafenregelung unwirksam.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.12.2018 – 8 U 55/17

Der AG beauftragt den AN mit der Installation von Sanitär- und Heizungsanlagen in einem Neubauvorhaben gegen ein Vergütung in Höhe von EUR 220.000,00. In diesem Zusammenhang haben die Parteien verbindliche Zwischenfristen und einen Gesamtfertigstellungstermin vereinbart. Ausweislich der von dem AG vorformulierten AGB hat der AN an den AG eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,2% der Netto-Schlussrechnungssumme pro Tag schuldhafter Überschreitung dieser Fristen, allerdings maximal begrenzt auf 5% der Netto-Schlussrechnungssumme, zu zahlen und zwar unabhängig davon, ob eine Zwischenfrist und/oder der Gesamtfertigstellungstermin überschritten wird. In dem Vertrag werden die Zwischenfristen und der Gesamtfertigstellungstermin nicht benannt, sondern ausschließlich auf den vereinbarten Bauzeitenplan verwiesen. Nach Abschluss der Arbeiten legt der AN die Schlussrechnung und fordert von dem AG offenen Restwerklohn in Höhe von ca. EUR 66.000,00. Der AG rechnet u. a. mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe in Höhe von ca. 12.300,00 auf, weil der AN sowohl einige Zwischenfristen als auch den Gesamtfertigstellungstermin überschritten hat.

Das Urteil

Die Aufrechnung bleibt ohne Erfolg; der AN muss keine Vertragsstrafe zahlen. Das OLG Karlsruhe vertritt die Auffassung, die Vertragsstrafenregelung sei insgesamt unwirksam.
1.) Zunächst führt das OLG Karlsruhe unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH und anderer Oberlandesgerichte aus, dass die Vertragsstrafenregelung den AN unangemessen benachteilige, weil für die Berechnung der Vertragsstrafe wegen schuldhafter Überschreitung einer Zwischenfrist auf den Gesamtwert des Auftrages (0,2% bzw. max. 5% der Netto-Schlussrechnungssumme) abgestellt werde und nicht auf den Wert der zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zwischenfrist tatsächlich rückständigen Werkleistungen (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.2012 – VII ZR 133/11; OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.03.2010 – 13 U 201/10; OLG Celle, Urt. v. 13.07.2005 – 7 U 17/05; OLG Jena, Urt. v. 10.04.2002 – 7 U 938/01). In einem solchen Fall könnte die vereinbarte Höchststrafe nach verhältnismäßig kurzen Zeiträumen bereits vollständig verwirkt sein. Der AG profitiere dann im Zuge der Absicherung von Zwischenfristen auf Kosten des AN davon, dass der AN später noch weitere Leistungen erbringt, deren Zweck nicht die Einhaltung der vorangegangenen Zwischenfristen sei. Mit einer solchen Regelung sei kein angemessenes Gleichgewicht der wechselseitigen Interessen des AN und des AG gewahrt.

2.) Des Weiteren meint das OLG Karlsruhe unter Verweis auf OLG Köln, Urt. v. 17.08.2010 – 3 U 69/09; OLG Hamm, Urt. v. 10.02.200 – 21 U 85/98 und OLG Bremen, Urt. v. 07.10.1986 – 1 U 151/85, die Regelung sei auch deshalb unwirksam, weil sie die Kumulation der Tagessätze zulasse. Wird die Vertragsstrafe an die Überschreitung mehrerer aufeinanderfolgender Fristen geknüpft, könne sich ein Tagessatz, der für sich genommen noch nicht unangemessen hoch sei, infolge einer Kumulation zu einem unangemessen hohen Tagessatz wandeln. Überschreitet der AN beispielsweise die erste Zwischenfrist um zehn Werktage, hätte der AN nicht nur hierfür eine Vertragsstrafe zu zahlen. Dieser erste Verzug würde möglichweise auch ohne Hinzutreten weiterer Verzögerungen dazu führen, dass auch die daran anschließende zweite Zwischenfrist und der Gesamtfertigstellungstermin jeweils um zehn Werktage überschritten werden. Auch für diese Überschreitungen müsste der AN Vertragsstrafe zahlen. Der AN hätte letztlich eine Vertragsstrafe von 30 Tagessätzen zu zahlen, obgleich sich die Fertigstellung des Bauvorhabens insgesamt nur um zehn Werktage verzögert hat. Dies würde zu einer faktischen Verdreifachung des vereinbarten Tagessatzes von 0,2% der Netto-Schlussrechnungssumme und damit zu einem unangemessen hohen Tagessatz führen.

3.) Ferner führt das OLG Karlsruhe aus, die gesamte Vertragsstrafenregelung sei unwirksam, weil die Unwirksamkeit der Vertragsstrafe für die Zwischenfristen auf die Vertragsstrafe für die Fertigstellungsfrist durchschlage. Eine andere Auslegung sei nur dann zulässig, wenn die Vertragsstrafe für den Fertigstellungstermin nach der Vertragsgestaltung eine eigenständige Regelung darstelle, die inhaltlich, optisch und sprachlich von der Vertragsstrafe für die Zwischenfristen getrennt sei (unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 27.11.2013 – VII ZR 371/12). Dies hat das OLG Karlsruhe im vorliegenden Fall verneint, weil der Bauvertrag selbst keine Termine bestimmt. Vielmehr werde sowohl hinsichtlich der Zwischenfristen als auch hinsichtlich des Gesamtfertigstellungstermins einheitlich auf den dem Bauvertrag beiliegenden Bauzeitenplan verwiesen, in dem die einzelnen Fristen aufgeführt sind.

Fazit

Der AG ist daher gut beraten, die Vertragsstrafe durch eine Individualvereinbarung der mit erheblichen Risiken behafteten AGB-Kontrolle zu entziehen oder aber zumindest detaillierte und differenzierende Regelungen zu treffen. In diesem Zusammenhang sollten die jeweiligen (Zwischen-)Fristen im Vertrag aufgelistet, die Vertragsstrafe für die Zwischenfristen inhaltlich, optisch und sprachlich von der Vertragsstrafe für den Fertigstellungstermin getrennt, die Kumulation der Vertragsstrafen ohne Hinzutreten weiterer Umstände ausgeschlossen und insbesondere die Höhe der Vertragsstrafen an Hand des Wertes der zum Zeitpunkt des Ablaufs der jeweiligen Fristen tatsächlich rückständigen Werkleistungen bemessen werden.

Autor

Dr. Danilo Rosendahl

Dr. Danilo Rosendahl

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