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Zur Höhe der Entschädigung nach § 642 BGB

KG, Urteil vom 29.01.2019 - 21 U 122/18

Im Anschluss an das wegweisende Urteil des BGH vom 26.10.2017 (VII ZR 16/17) zum Anwendungsbereich des Entschädigungsanspruchs gemäß § 642 BGB versucht nun das Kammergericht mit seinem Urteil vom 29.01.2019, die Bemessungsgrundlage dieses Anspruchs weiter herauszuarbeiten. Danach steht dem Auftragnehmer, der während und aufgrund des Annahmeverzugs des Auftraggebers die Vergütung aus dem gestörten Werkvertrag nicht wie vorgesehen erwirtschaften kann, für diesen Umsatznachteil keine Entschädigung aus § 642 BGB zu.

Im Einzelnen:

Ein Auftraggeber (AG) beauftragte einen (AN) unter Einbeziehung der VOB/B mit der Ausführung von Trockenbauarbeiten. Der im Vertrag vorgesehene Baubeginn wurde vom AG um mehrere Monate verschoben. Der AN ist der Auffassung, er habe gegen den AG gemäß § 642 BGB einen Entschädigungsanspruch hinsichtlich des Umsatzes, der ihm dadurch entgangen sei, dass ihm der AG das Baugrundstück nicht zum vorgesehenen Termin baureif zur Verfügung gestellt habe. Aufgrund dessen habe er seine Leistungen nicht innerhalb der Vertragsfristen ausführen und die hierfür vorgesehene Vergütung in diesem Zeitraum erwirtschaften können. Auch wenn er diese Leistungen habe zeitlich verschoben nachholen können und müssen, ändere dies nichts daran, dass ihm die Möglichkeit endgültig genommen sei, innerhalb des vertraglich vorgesehenen Zeitfensters die vereinbarte Vergütung zu erwirtschaften. Ihm sei in der Zeit des Nachholens wegen der Bindung seiner Produktionsmittel an den Vertrag mit dem AG die Möglichkeit genommen worden, Umsatz aus anderen Aufträgen zu erzielen. Die Höhe seines Anspruchs (ca. EUR 200.000) ermittelt der AN in der Form, dass er von seiner Vergütung, soweit sie auf die Leistung entfällt und nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen erwirtschaftet werden konnte, die durch die Nichtleistung ersparten Material- und Gerätekosten abzieht. Der AG zahlt nicht, so dass der AN Klage erhebt.

Das KG weist die Klage ab. Zwar sei ein Mitwirkungsverzug des AG durch die nicht erfolgte Zurverfügungstellung des Baugrundstücks gegeben. Dieser habe auch dazu geführt, dass der AN während der Dauer des Verzugs die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht habe erwirtschaften können. Dieser – vom AN ausschließlich geltend gemachte – zeitbezogene Umsatzverlust sei jedoch kein nach § 642 BGB ersatzfähiger Nachteil:

Nach dem BGH (Urt. v. 26.10.2017 - VII ZR 16/17) sei dem AN nicht jeder annahmeverzugsbedingte Nachteil zu erstatten. Vielmehr könne der AN nach § 642 BGB nur eine Entschädigung dafür verlangen, dass er seine Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung während des Annahmeverzugs vergeblich vorhalte. Dieser Anspruch sei vergütungsähnlich, so dass der AN gewissermaßen ein Entgelt für das vergebliche Bereithalten der Produktionsmittel erhalte.

Ein Anspruch gemäß § 642 BGB bestehe zudem nur dann, wenn dem AN durch den Annahmeverzug tatsächlich ein Nachteil im Sinne einer Kostenerhöhung als Bemessungsgrundlage für den Anspruch entstanden sei. Ein Annahmeverzug des AG führe jedoch nicht automatisch zu einem Umsatzverlust, weil der AN seine Produktionsmittel - insbesondere seine Arbeitskräfte - in der Regel auf anderen Baustellen einsetzen könne, sodass eine Kostenerhöhung in diesem Fall nicht eintrete. Es sei daher nicht gerechtfertigt, dem AN unabhängig von der Darlegung konkreter Kostenerhöhungen/Vorhaltekosten die zu seinen Gunsten stärker pauschalierte und somit in aller Regel deutlich höhere Entschädigung für Umsatznachteile zuzusprechen.

Schließlich sei auch der AGK-Deckungsbeitrag keine Kostenposition, die einen nach § 642 BGB erstattungsfähiger Nachteil darstellen würde, weil ein AN seinen Geschäftsbetrieb nicht nur für ein Projekt vorhalte. Der allgemeine Geschäftsbetrieb eines AN diene immer auch dazu, dass frühere Aufträge abgerechnet und neue akquiriert werden und somit die Fortsetzung des Unternehmens sichergestellt werde. Damit fehle es an einem Vorhalten des allgemeinen Geschäftsbetriebs in Bezug auf einen konkreten (gestörten) Vertrag. Zudem könne an der Höhe des Deckungsbeitrags nicht abgelesen und somit auch nicht überprüft werden, in welchem Umfang der AN Produktionsmittel seines allgemeinen Geschäftsbetriebs im Annahmeverzug des AG vorgehalten habe.

In seiner Entscheidung weist das KG zudem darauf hin, dass in der Mitteilung des AG von den annahmeverzugsbegründenden Umständen eine Anordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 VOB/B liege. Dies helfe dem AN aber deshalb nicht weiter, weil die dargelegten Umsatzverluste auch keine Mehrkosten im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B darstellen würden. Auch für diesen Anspruch müsse der AN die Produktionsmittel darlegen, die er während des Annahmeverzugs vergeblich vorgehalten habe.

Fazit

Gegen die Entscheidung des KG wurde – die zugelassene – Revision eingelegt. Es bleibt daher zu hoffen, dass der BGH in Kürze klärt, wie die Höhe des Entschädigungsanspruchs nach § 642 BGB berechnet wird. Es geht dabei insbesondere um die Beantwortung der Frage, ob dies analog einer freien Kündigung „von oben nach unten“ (vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigem Erwerb) oder „von unten nach oben“ (anhand tatsächlicher Vorhaltekosten) erfolgt.

Nach dem Wortlaut des § 642 BGB bestimmt sich die Entschädigung einerseits nach der Höhe der vereinbarten Vergütung und andererseits nach demjenigen, was der AN infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder anderweitig erwirbt. Auf dieser Grundlage ist es gut vertretbar, dass die Entschädigung nicht nach tatsächlichen Vorhaltekosten, sondern – entgegen dem KG – kalkulatorisch auf Grundlage der vereinbarten Vergütung berechnet wird. Ansonsten würde vom o.g. Wortlaut des § 642 BGB („Höhe der vereinbarten Vergütung“) nicht mehr viel übrig bleiben. Das Urteil des BGH vom 26.10.2017 (VII ZR 16/17) gibt insoweit keine Hilfestellung. Der BGH klärt in diesem lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des § 642 BGB und spricht von einer Kompensation für die vergebliche Vorhaltung von Produktionsmitteln während des Annahmeverzugs. Zur Erforderlichkeit eines – vom KG geforderten – tatsächlichen Nachteils des AN hat er sich nicht geäußert. Vielmehr dürfte es auf der Hand liegen, dass ein ausgebliebener Umsatzerlös i.d.R. einen sogar erheblicher Nachteil für den AN darstellt.

Mit seiner Ansicht dahingehend, dass Umsatzverluste auch nicht im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B auszugleichen seien, bleibt sich das KG zudem treu. Bereits in seinem Urteil vom 10.07.2018 (21 U 30/17) hatte es die Auffassung vertreten, dass für den Anspruch aus § 2 Abs. 5/6 VOB/B die tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten maßgebend seien und die Urkalkulation nur ein Hilfsmittel bei der Ermittlung der Kostendifferenz sei.

 

 

Autor

Rasmus Gersch

Rasmus Gersch

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