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Für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit der Leistung kommt es nur auf den Zeitpunkt der Abnahme an!

BGH, Urt. v. 25.02.2016 - VII ZR 210/13

  1. Für die Beurteilung, ob ein Werk mangelhaft ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Der Umstand, dass nach einer durchgeführten Abnahme Schäden (hier: herausbrechende und teilweise zerstörte Fugen) auftreten, begründet für sich genommen noch keinen Werkmangel.
  2. Die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht ist kein Tatbestand, der eine Mängelhaftung begründet.

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit Fliesenarbeiten in den Bädern zweier Studentenwohnheime. Nach Fertigstellung und Abnahme der Leistungen brachen zum Teil Fugen heraus und es kam zu Feuchtigkeitsschäden. Der AG verlangt Vorschuss für die anfallenden Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von EUR 79.673,00. Der AN hält dem entgegen, dass die Schäden auf einer unsachgemäßen Reinigung der Fliesen mit einem säurehaltigen Mittel beruhen. LG und OLG geben der Klage statt, weil es nicht darauf ankomme, ob der aktuelle Zustand der Fugen auf die Herstellung bzw. auf das verwendete Fugenmaterial zurückzuführen sei oder eine unsachgemäße Reinigung zu dem Schadensbild geführt habe. Auch bei letzterem liege die Ursache des Mangels im Verantwortungsbereich des AN. Er hätte den AG aufgrund seines größeren Fachwissens auf die geeigneten Reinigungsmittel hinweisen müssen.

Das sieht der BGH anders und verweist den Rechtsstreit zurück an das OLG. Das OLG habe zu Unrecht offen gelassen, was ursächlich für die Schäden ist. Der Vorschussanspruch bestehe nicht, wenn die Fugen fachgerecht hergestellt wurden. Bei auftretenden Schäden nach der Abnahme könne nicht auf die Mangelhaftigkeit der Werkleistung geschlossen werden. Für die Beurteilung, ob ein Werk mangelhaft sei, müsse grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Abnahme abgestellt werden. Ein Zustand der erst nach der Abnahme eintritt, könne die Mangelhaftigkeit des Werkes aber nicht begründen.

Der BGH beanstandet zudem die Auffassung des OLG, dass sich die Mangelhaftigkeit des Werkes aus der Verletzung der Hinweispflicht ergebe. Der BGH weist darauf hin, dass die Verletzung einer Prüfungs- und Hinweispflicht durch den AN kein Tatbestand sei, der die Mängelhaftung des AN begründe. Diese knüpfe insbesondere für verschuldensunabhängige Ansprüche auf Nachbesserung, Vorschuss und Ersatzvornahmekosten ausschließlich an die objektive Mängelhaftigkeit des Werkes an. Ist die Ursache des Mangels nicht dem Verantwortungsbereich des AN zuzuordnen, könne er sich durch Erfüllung seiner Prüf- und Hinweispflicht von der Mangelhaftung befreien. Die Hinweispflicht enthalte die Pflicht, darauf hinzuweisen, dass der AN so wie beabsichtigt oder wegen der vorgefundenen Situation kein mangelfreies Werk erstellen könne. Sie gehe aber nicht dahin, darauf hinzuweisen, wie ein späterer Schaden abgewendet werden könne.

Fazit

Die Entscheidung des BGH überzeugt sowohl im Hinblick auf die Ausführungen zur Mängelhaftung als auch zur Hinweispflicht des AN.

Sie orientiert sich an § 13 Abs. 1 VOB/B und § 633 Abs. 1 BGB, die darauf abstellen, dass der AN dem AG die Leistung frei von Mängeln zum Zeitpunkt der Abnahme zu verschaffen hat. In Prozessen und selbständigen Beweisverfahren wird es daher die Aufgabe der Gerichte und Sachverständigen sein, festzustellen, ob die Ursache für einen auftretenden Schaden an der Leistung des AN bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorlag. Allein durch die Feststellung eines Schadensbildes nach Abnahme lässt sich nicht auf das Vorhandensein der Ursache bei Abnahme schließen.

Mit den Ausführungen zur Hinweispflicht führt der BGH die Rechtsprechung aus seinem Urteil vom 08.11.2007 (Az.: VIII ZR 183/05) konsequent fort. Die Auffassung entspricht der Regelung in § 13 Abs. 3 VOB/B, der bei Vorliegen eines Mangels durch die Prüfungs- und Hinweispflicht des AN zu einer Risikoverlagerung auf den AN führt.

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

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