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Zugang und Rechtzeitigkeit eines Telefaxes

BGH, Beschluss vom 12.04.2016 - VI ZB 7/15

  1. Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen worden sind.*)
  2. Der mit einem "OK"-Vermerk versehene Sendebericht begründet nicht den Beweis des ersten Anscheins für den tatsächlichen Zugang der Sendung beim Empfänger. Er belegt nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät.*)
  3. Die Versäumung einer Frist wegen Verzögerung bei der Übermittlung eines Telefax kann der Partei nicht als Verschulden zugerechnet werden, wenn sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr gerechnet werden konnte.*)

Es tritt immer wieder die Frage auf, ob der „OK“-Vermerk auf dem Sendebericht eines Telefaxes einen wirksamen Zugangsbeweis darstellt und wann damit die gewollte Erklärung eingegangen ist. Im hier entschiedenen Fall faxte ein Rechtsanwalt (RA) seine 10seitige Berufungsbegründung am Tage des Fristablaufs um 23:41 Uhr an das Faxgerät des Gerichts mit der Endnummer 60. Es wurden zunächst nur 5 Seiten (von 10 Seiten) übertragen. Um 23:52 Uhr faxte er an das Faxgerät mit der Endnummer 50. Die Übertragung brach bei Seite 9 ab. Erst nach 00:00 Uhr gelang die vollständige Übertragung. Das Berufungsgericht verwarft die Berufung als unzulässig. Ein "OK"-Vermerk, wonach eine um 23:49 Uhr begonnene Sendung um 23:58 Uhr abgeschlossen worden sei, belege angesichts der von den Faxgeräten aufgezeichneten Daten nicht den rechtzeitigen Zugang. Der vom RA gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung scheitert, weil nicht ausgeschlossen sei, dass die Übertragung wegen eines Bedienungsfehlers scheiterte, weil der RA selbst das Gerät bedient habe.

Das hält vor dem BGH nicht stand. Zwar ist die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig eingegangen, weil der "OK"-Vermerk lediglich ein Indiz für den rechtzeitigen Zugang ist. Dieses Indiz ist durch die von den Faxgeräten aufgezeichneten Daten erschüttert. Die Versäumung der Frist bei Übermittlung eines Telefax ist aber unverschuldet, weil der RA mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan hat und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wurde, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr gerechnet werden konnte. Der BGH führt weiter aus, dass der RA bei der Übermittlung seiner Schriftsätze zwar Verzögerungen einkalkulieren müsse, mit denen üblicherweise zu rechnen ist. Dazu gehört auch die Belegung des Faxgeräts durch andere eingehende Sendungen. Die Berufungsbegründung war im vorliegenden Fall aber mit 10 Seiten nur kurz und es bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Dauer der Übermittlung auf fast 2 Minuten pro Seite belaufen würde. Eines Vortrags dazu, dass der RA das Telefaxgerät korrekt bedient habe bedurfte es indes auch nicht. Der Verbindungsaufbau ist ihm dreimal gelungen. Danach liegt es fern, dass die Sendeabbrüche und die ungewöhnlich lange Dauer der Übertragung auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen sind.

Fazit

Eine Übermittlung per Telefax ist grundsätzlich möglich. Entscheidend ist nach Ansicht des BGH auch nicht (mehr) der fristgerechte Zugang, wenn sich der Absender entschuldigen kann. Dennoch sollte stets versucht werden, Erklärungen welcher Art auch immer, die wirksam durch ein Telefax übermittelt werden, so rechtzeitig abzusenden, dass sie innerhalb der erforderlichen Frist auch eingehen.

Autor

Dr. Thomas Hildebrandt

Dr. Thomas Hildebrandt

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