Section-Image

Abschlagszahlungen i. H. v. 80 % auch beim VOB/B-Vertrag!

KG, Urteil vom 02.11.2021 - 27 U 120/21

Im Rahmen eines VOB/B-Vertrages vom 13.07.2020 über Abbrucharbeiten bei einem Universitätsgebäude werden Nachtragsleistungen erforderlich, die zum Teil vom AG anerkannt werden. Darüber hinaus fordert der AN eine zusätzliche Vergütung in Höhe von über EUR 500.000,00 und legt darüber Nachtragsangebote vor, die insbesondere das Vorhalten von Schleusen zur Dekontamination für Personen umfassen. Der AN setzt 80 % seiner Nachtragsforderung in Abschlagsrechnungen an. Der AG verweigert die Zahlung und wendet ein, dass der AN das Vorhalten solcher Schleusen vergütungslos schulde und daher keine Nachtragsleistung vorliege. Der AG stellt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem er begehrt, feststellen zu lassen, dass der AN vorläufig nicht berechtigt ist, Abschlagszahlungen i. H. v. 80 % des Betrags aus den Nachtragsangeboten für die Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistungen zu verlangen.

Das Kammergericht gesteht dem AN einen Teil der geforderten Vergütung zu, soweit es den Anspruch aus den Abschlagsrechnungen für fällig hält. Es stellt klar, dass der AN auch im VOB/B-Vertrag bei der Berechnung der geschuldeten Abschlagszahlung 80 % der Nachtragsvergütung ansetzen und im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend machen kann, selbst wenn die VOB/B „als Ganzes“ vereinbart wurde. Abschlagszahlungen können im Rahmen eines VOB/B-Vertrags nur verlangt werden, wenn eine der Abschlagszahlung entsprechende vertragsgemäße Bauleistung erbracht worden und die Abschlagsrechnung prüfbar sei. Das KG weist darauf hin, dass als vertragsgemäß alle Leistungen anzusehen sind, für die dem Auftragnehmer gemäß § 2 VOB/B eine Vergütung zusteht, wobei es nicht darauf ankomme, ob eine Vereinbarung über die geänderte oder zusätzliche Vergütung zustande gekommen ist.

Fazit

Die Auffassung des Kammergerichts zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 650d BGB und somit zur Möglichkeit eines einstweiligen Verfügungsverfahrens im Rahmen eines VOB/B-Vertrages entspricht der herrschenden Meinung. Das Kammergericht hält auch die 80 %-Regelung des § 650c Abs. 3 BGB für anwendbar, weil die Anwendung nicht im VOB/B-Vertrag ausgeschlossen worden sei. Dies ist nicht unkritisch zu betrachten, weil § 650c BGB nicht für alle Nachtragsleistungen gilt, sondern nur im Zusammenhang mit Anordnungen nach § 650b BGB.

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Prof. Dr. Ralf Leinemann: Kein positives Interesse nach Aufhebung des Zuschlags

     

  • Dr. Thomas Hildebrandt: Formularmäßiger Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB wirksam