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Rücktrittsrecht des Käufers, weil Gebäude zwei Jahre älter als im Kaufvertrag angegeben

OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2017 - 22 U 82/16

Häufig finden sich in Kaufverträgen vermeintlich unbedeutende, allgemeine Angaben zum Grundstück und dessen Bebauung, so etwa zum Alter eines Gebäudes. Tatsächlich sollte man mit der Aufnahme solcher Angaben jedoch sehr vorsichtig sein, wie die Entscheidung des OLG Hamm zeigt.

In der Entscheidung geht es um einen Grundstückskaufvertrag, der folgende Klausel enthielt:

“Es handelt sich um ein Gebäude aus dem Jahr 1997, das seither nicht mehr saniert oder modernisiert wurde und auch in der grundlegenden Bausubstanz nicht erneuert worden ist.“

Tatsächlich wurde das Gebäude jedoch bereits 1995 errichtet, wie die Käufer nach dem Erwerb herausfanden.

Das OLG Hamm urteilte nun, dass es sich bei dieser Klausel um eine Beschaffenheitsvereinbarung handelt. Da das Gebäude nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprach, sondern eben tatsächlich 2 Jahre älter war, lag aus Sicht des Gerichts ein Sachmangel im Sinne von § 434 BGB vor.

Zwar war im Kaufvertrag ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss für Sachmängel vereinbart, dieser ist aber regelmäßig so auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll. Die Beschaffenheitsvereinbarung geht vor.

Die Abweichung um lediglich 2 Jahre stellt auch keine unerhebliche Beeinträchtigung dar. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung indiziert der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Schwere der Beeinträchtigung, da die bewusste Entscheidung für die Aufnahme einer Beschaffenheit in den notariellen Kaufvertrag ohne weiteres den Schluss darauf zulässt, dass diese für den Käufer maßgebliches Gewicht hatte. Darüber hinaus hat eine Abweichung des Baujahrs um 2 Jahre in jedem Fall Auswirkungen auf den Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks in einem die Bagatellgrenze überschreitenden Ausmaß. Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer des Bestandsgebäudes ist für die Ermittlung des Verkehrswerts ein wesentlicher Bewertungsfaktor. Eine Verkehrswertberechnung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Restnutzungsdauer von lediglich 62 Jahren zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses führt zu einer erheblichen Abweichung gegenüber einer Verkehrswertberechnung unter Zugrundelegung der Restnutzungsdauer von 64 Jahren bei einem vertraglich festgelegten Baujahr 1997.

Hinzukommt, dass der Verkäufer arglistig handelte, wofür es ausreicht, dass er falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ macht.

Schließlich würdigte das Gericht dass das falsche Baujahr nicht der einzige Mangel des Kaufobjektes darstellt und nunmehr „das Maß voll ist“.

Das Gericht bejahte daher einen Anspruch der Käufer auf Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Fazit:

Der Verkäufer hat dem genauen Datum des Gebäudes bei Abschluss des Kaufvertrages vermutlich keine große Bedeutung beigemessen. Dennoch: Die Entscheidung zeigt, dass auch vermeintliche Kleinigkeiten im Vertrag eine große Bedeutung haben können. Bei der Formulierung der Klauseln des Grundstückskaufvertrages ist daher immer besondere Sorgfalt anzuwenden. Im Zweifel sollte man das vermeintlich Unwichtige lieber weggelassen.

Autor

Michael Göger, LL.M.

Michael Göger, LL.M.

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