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Die politische Debatte zum Mietendeckel

Das vom Abgeordnetenhaus Berlin am 18.06.2019 beschlossene, bundesweit bisher einmalige Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung, das prägnant als Mietendeckel bezeichnet wird, ist am 24.02.2020 in Kraft getreten. Dabei wurden die Mietpreise auf dem Niveau des Beschlussdatums vom 18.06.2019 eingefroren, sodass in der Zwischenzeit erfolgte Mieterhöhungen rückwirkend unwirksam wurden. Die Mieten für rund 1,5 Millionen vor 2014 fertiggestellte Wohnungen wurden damit für fünf Jahre gesetzlich begrenzt. Das Gesetz gilt nicht für Neubau sowie nicht für Wohnraum, der bereits preisgebunden ist.

Der Mietendeckel wird indes kontrovers diskutiert: Nicht nur die Zweckmäßigkeit, sondern auch die Verfassungsmäßigkeit der neuen Mietpreisbeschränkung stehen im Fokus der politischen Debatte.

Der Vorschlag für den Gesetzentwurf wurde von der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses eingebracht. Ziel sei es, die Mieten in gefragten Wohngegenden für fünf Jahre weitgehend einzufrieren, um eine Atempause im Mietmarkt zu erreichen und Zeit für den Bau von neuem Wohnraum zu schaffen (Brauchen Mietendeckel für ganz Deutschland, tagesschau.de, 14.06.2019, https://www.tagesschau.de/inland/mietendeckel-101.html). Die SPD Berlin will, um dieses Ziel zu erreichen, in den kommenden fünf Jahren über ihre kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mehr Mietwohnungen bauen sowie Miethäuser kaufen, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht (https://spd.berlin/standpunkte/bauen-kaufen-deckeln/).

Ein im Auftrag der SPD-Fraktion erarbeitetes Gutachten von den Mietrechts- und Verfassungsexperten Prof. Dr. Franz Mayer und Prof. Dr. Markus Artz von der Universität Bielefeld bestätigte die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern (Pressemitteilung der SPD Berlin vom 18.3.2019 unter spdfraktion-berlin.de/pressemitteilungen/2019/maerz/spd-fraktion-liegt-experten-gutachten-zu-mietendeckel-vor-jura-professoren-berlin-darf-mieten-deckeln).

Die Linke unterstützte das Vorhaben und ging noch weiter: Sie wollte ursprünglich neben den geplanten Obergrenzen für Mieten auch eine Absenkung von Bestandsmieten durchsetzen, die über einer Mietobergrenze liegen.

Die Grünen, die ebenfalls die Einführung des Mietendeckels mitgetragen haben, plädierten ebenfalls für eine abgestufte Absenkung von Bestandsmieten.

Diese Vorschläge haben sich im Rahmen des Beschlusses vom 18.06.2019 nicht durchsetzen können (Die Details des Berliner Mietendeckels, Der Tagesspiegel vom 18.10.2019, https://www.tagesspiegel.de/berlin/ein-revolutionaeres-gesetz-die-details-des-berliner-mietendeckels/25133292.html).

Die CDU hat sich bereits nach dem Beschluss des Berliner Senats gegen die Einführung des Mietendeckels positioniert. Dadurch würde sich die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt weiter verschärfen, das Ziel des neuen Gesetzes würde mithin verfehlt. Die Gefahr läge darin, dass Vermieter ihre Mietobjekte ohne die Möglichkeit von Mieterhöhungen nicht instand halten können. Weitere Einschnitte gäbe es auch bei den energetischen Sanierungen und Investitionen. Die Konsequenzen träfen gerade die Zielgruppen, die am wenigsten für den Anstieg der Mieten auf dem Berliner Wohnungsmarkt verantwortlich seien: Etwa Wohnbaugenossenschaften, städtische Wohnungsbaugesellschaften und private Vermieter, die bisher auf regelmäßige Mieterhöhungen verzichtet haben (Mietendeckel bringt Wohnungsmarkt zum Erliegen, Erklärung von Dregger und Gräff vom 18.06.2019, https://www.cdu-fraktion.berlin.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=1935&printit=1).

Zudem hält die CDU den Mietendeckel für verfassungswidrig, da das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich habe und kündigte eine Klage an. In der CDU-Fraktion des Bundestags wurde bereits zum 18.02.2020 das notwendige Quorum der Unterschriften von einem Viertel aller Abgeordneten erreicht. Der Antrag soll so schnell wie möglich beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden (CDU und FDP wollen Mietendeckel wegklagen, Spiegel Wirtschaft vom 18.02.2020, https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/mietendeckel-cdu-und-fdp-ziehen-vor-verfassungsgericht-a-939da1cc-2eee-40c0-8132-1ec980e1cda9). Auf diesem Wege sei für schnellstmögliche Rechtssicherheit für alle Beteiligten gesorgt (Verfassungsklage gegen Berliner Mietendeckel wohl im April, Süddeutsche Zeitung vom 24.02.2020, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wohnen-berlin-verfassungsklage-gegen-berliner-mietendeckel-wohl-im-april-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200224-99-47585).

Die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus schließt sich dem Vorhaben der CDU an und will die Rechtmäßigkeit des Mietendeckels bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durchfechten.

Die Konservativen und Liberalen erhalten nunmehr Rückenwind vom Landgericht Berlin: Die für Mietsachen zuständige 67. Zivilkammer beschloss am 12.3.2020, das Klageverfahren eines Vermieters auf Mieterhöhung auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen, ob das Land Berlin die Gesetzeskompetenz für den Erlass der gesetzlichen Vorschriften des Mietendeckels habe. Das Landgericht bestätigte damit die Auffassung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Berlin-Spandau, das dem Vermieter die Mieterhöhung zuvor zugesprochen hatte (Landgericht hält Mietendeckel für verfassungswidrig, Zeit Online vom 12.03.2020, https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-03/berlin-landgericht-haelt-mietendeckel-fuer-verfassungswidrig)

Damit divergieren die Auffassungen der Berliner Gerichte mit den eingeholten Expertisen der SPD. Die politische Debatte wird bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kontrovers bleiben. Der Rechtssicherheit wäre mit einer baldigen Entscheidung wohl gedient.

Autor

Vladislava Zdesenko

Vladislava Zdesenko

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