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Landgericht Berlin hält Mietendeckel für verfassungswidrig

Mit Beschluss vom 12.03.2020 (67 S 274/19) erklärt das Landgerichts Berlin, dass es den Mietendeckel für verfassungswidrig hält und legt die Frage der Verfassungswidrigkeit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Welche Bedeutung hat diese Entscheidung für Vermieter und Mieter in Berlin?

Nachdem in den letzten Wochen und Monaten die Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietendeckels immer wieder in Zweifel gezogen wurde, war es natürlich absehbar, dass ein Gericht früher oder später das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen würde. Dass es aber so schnell ging, war dann allerdings doch eine Überraschung. Erst am 23.02.2020 trat der Mietendeckel in Kraft. Nicht einmal drei Wochen später, mit Beschluss vom 12.03.2020, erklärte nun die 67. Kammer des Landgerichts Berlin, dass sie den Mietendeckel, der die Mieten auf bestehendem Niveau einfriert, für verfassungswidrig hält. Angesichts der sonstigen Verfahrensdauern der Berliner Gerichte ist dieser Zeitraum jedenfalls schon einmal rekordverdächtig.

Detailliert begründet das Landgericht in dem Beschluss seine Rechtsansicht, setzt dementsprechend den Rechtsstreit aus und legt nach Artikel 100 Absatz 1 des Grundgesetzes die Frage der Verfassungswidrigkeit im Rahmen einer sogenannten „konkreten Normenkontrolle“ dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

Dass das alles so schnell ging, hing damit zusammen, dass sich der anhängige Rechtsstreit beim Landgericht bereits in der Berufungsinstanz befand und die Argumente über die Zulässig- oder Unzulässigkeit einer Mieterhöhung zwischen den Parteien bereits umfassend ausgetauscht waren. Bemerkenswert ist der Werdegang des Verfahrens dennoch: Das erstinstanzliche Amtsgericht Spandau hatte im Oktober letzten Jahres auf Basis der damaligen Rechtslage entschieden, dass das Mieterhöhungsverlangen tatsächlich zulässig war – allerdings konnte das Amtsgericht dabei den Mietendeckel natürlich nicht berücksichtigen. Der war da ja noch lange nicht in Kraft getreten. Nach seinem Inkrafttreten am 23.02. musste der Mietendeckel dann aber vom Berufungsgericht zwangsläufig in der vom Mieter eingelegten Berufung berücksichtigt werden. Und so stellte die 67. Kammer des Landgerichts in ihrem Beschluss klar fest, dass sich das Kräftespiel zwischen den Parteien auf Grund der neuen Gesetzeslage jetzt umkehren würde. Gilt der Mietendeckel, müsste das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben werden; das Mieterhöhungsverlangen wäre unzulässig.

In seinen Gründen stellt das Landgericht dabei maßgeblich darauf ab, dass dem Land Berlin insoweit jede Gesetzgebungskompetenz fehle. Der Bund haben mit den §§ 556 d) BGB ff. seine auf dem Gebiet des Zivilrechts bestehende konkurrierende Gesetzgebung nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 Grundgesetz abschließend ausgeübt. Für das Land Berlin verbleibe daher kein Regelungsspielraum. Mit dieser Argumentation schließt sich das Landgericht der ganz überwiegenden Meinung der bislang zu diesem Thema veröffentlichen juristischen Literatur an. Zahlreiche namhafte Verfassungsrechtler und andere Experten, wie etwa des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, haben in ihren gutachterlichen Stellungnahmen in den vergangenen Monaten immer wieder auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer hingewiesen

Jetzt also liegt der Ball im Spielfeld des Bundesverfassungsgerichts. Mit Prognosen, wie die Verfassungsrichter die Sache sehen, sollte man allerdings trotz der vielen Expertenstimmen vorsichtig sein. Das Verfassungsgericht hat in vergangen Entscheidungen oft genug bewiesen, dass es sich von der Mehrheitsmeinung nicht unbedingt beeindrucken lässt, so nicht zuletzt im Fall der Mietpreisbremse, wonach die Miete bei Abschluss eines Mietvertrages maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Diese Regelungen hielt das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr, allen Unkenrufen zum Trotz, eben nicht für verfassungswidrig.

Dennoch: Einen Anhaltspunkt für die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts mag ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bieten (1 BvQ 1/20 vom10.03.2020), der fast zeitgleich mit der Entscheidung des Landgerichts erging. Eine Gruppe von Vermietern hatte beantragt, die Bußgeldvorschriften im Mietendeckel im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Kraft zu setzen. Diesen Antrag lehnte das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung auf Grund einer summarischen Prüfung zwar ab. Denn würden die Bußgelder fallen, wäre abzusehen, dass sich die Vermieter nicht mehr an die Regelungen des Mietendeckels halten würden. Diese Nachteile wären, falls sich das Gesetz später bei vollständiger Prüfung doch als verfassungsgemäß erwiese, nicht mit den strengen Anforderungen an für eine vorläufige Außerkraftsetzung vereinbar. Bemerkenswert ist aber, dass das Gericht ausdrücklich auch auf die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin einging und erklärte, dass diese als „offen bezeichnet werden muss“.

Wie geht es nun also weiter? Wie lange das Bundesverfassungsgericht braucht, um zu einer Entscheidung zu kommen, ist schwer vorherzusehen. Im Fall der Mietpreisbremse, die dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls als konkrete Normenkontrolle vorlag, dauerte es mehr als 1½ Jahre bis letztlich ein Beschluss vorlag. Bis zu einer Entscheidung zum Mietendeckel werden daher sicherlich noch viele weitere Gerichte mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit konfrontiert werden. Auch wenn Richter in Deutschland in ihren Entscheidungen unabhängig sind und demnach einen Sachverhalt immer auch anders beurteilen können als ihre Kollegen, steht doch zu erwarten, dass eine Vielzahl von Gerichten im Hinblick auf das nun anhängige Normenkontrollverfahren ebenfalls die Verfahren aussetzen oder zumindest auf deren Ruhen hinwirken werden. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird es aber leider bei den Unsicherheiten verbleiben, die die neue Rechtslage nun einmal mit sich bringt.

Autor

Michael Göger, LL.M.

Michael Göger, LL.M.

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