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Keine konkrete Gefahr für die Überschwemmung eines Hauses in Peru/ Berufung gegen RWE wird zurückgewiesen

Oberlandesgerichts Hamm, Urteil vom 28. Mai 2025 (Az. I-5 U 15/17)

Nach intensiver Beweisaufnahme mit Ortstermin in Peru stellte das OLG Hamm fest, dass der Energiekonzern RWE als CO2-Verursacher nicht verpflichtet ist, sich an den Kosten zur Verhinderung der Überschwemmung eines Grundstücks mit einem Wohnhaus in Peru zu beteiligen.

Ein unfassbarer Rechtsstreit, der seines Gleichen sucht:

Der Kläger, ein peruanischer Bergführer, ist Eigentümer eines Grundstücks mit einem darauf errichteten Wohnhaus in der Stadt Huaraz in Peru. Die Stadt liegt unterhalb des Gletschersees Palcacocha, der sich durch die globale Erderwärmung vergrößert hat. Laut Kläger bestehe die reale Gefahr einer Gletscherflut, die sein Haus bedroht. Die Überflutungsgefahr sei durch den deutschen Energiekonzern RWE mitverursacht worden, da dieser nachweislich für 0,47% der globalen CO2-Emissionen seit 1965 verantwortlich sei. Der Kläger reichte daher beim Landgericht im Jahr 2015 Essen Klage gegen RWE ein, mit dem Antrag festzustellen, dass RWE verpflichtet ist, sich an den Kosten von Schutzmaßnahmen zu beteiligen.

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Das OLG Hamm wies die Berufung mit einem auf 139 Seiten begründeten Urteil zurück. Dem Urteil war eine umfangreiche Beweisaufnahme vorausgegangen, mit einer mehrtägigen Ortsbesichtigung in Peru und einer zweitägigen Anhörung von Sachverständigen. Das Gericht sah die Klage als zulässig an und bestätigte auch, dass deutsches Recht anwendbar sei. In der Sache stützte das Gericht die Abweisung im Wesentlich darauf, dass keine hinreichend konkrete Gefahr für das Grundstück des Klägers vorliege, die eine Haftung von RWE auslöst.

Das Gericht berief sich dabei insbesondere auf die Aussage der Gutachter, wonach die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gletscherflut, die das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre treffen würde, lediglich ein Prozent betrage. Diese Wahrscheinlichkeit sei zu gering, um von einer aktuellen Gefährdungslage auszugehen. Das sei rechtlich entscheidend, da eine Störung des Eigentums nach § 1004 BGB nur dann vorliege, wenn eine gegenwärtige oder sehr wahrscheinlich bevorstehende Beeinträchtigung drohe.

Darüber hinaus stellte das Gericht fest:

  • Es sei nicht zu beanstanden, dass RWE trotz seines hohen Emissionsanteils keine unmittelbare und konkrete Verantwortung für Schäden an einem bestimmten Ort auf der Welt übernehme.
  • Die globale Kausalitätskette zwischen Emission und Gletscherflut sei zwar theoretisch nachvollziehbar, jedoch rechtlich nicht zurechenbar – zumindest nicht in einer Weise, die zu individueller Haftung führe.
  • Auch der Versuch, das Problem über die "Störerhaftung" zu lösen, scheitere daran, dass der Beitrag von RWE als zu gering für eine individuelle Verantwortlichkeit bewertet wurde.

Folgen und Bedeutung des Urteils

Das im Immobilienrecht verankerte Urteil ist ein Meilenstein für den internationalen Klimarechtsdiskurs. Dies schon deshalb, da es eines der ersten Fälle ist, in dem ein einzelner Betroffener versuchte, ein Unternehmen auf Basis seiner historischen Emissionen rechtlich haftbar zu machen. Und auch wenn der Kläger weit gekommen ist, so ist er doch letztlich an den rechtlichen Grenzen der Geltendmachung derartiger Ansprüche gescheitert:

  1. Beweislast und Zurechenbarkeit: Obwohl der wissenschaftliche Zusammenhang zwischen Emissionen und Klimaschäden allgemein anerkannt ist, reicht dieser Nachweis im Einzelfall nicht für eine haftungsrechtliche Zurechnung.
  2. Geringe Gefahrenwahrscheinlichkeit: Selbst wenn die physikalische Gefahr gegeben ist, muss sie für eine Haftung konkret, gegenwärtig und wahrscheinlich sein.
  3. Haftungsvermeidung durch Kollektivität: Da der Klimawandel durch die Emissionen vieler Akteure weltweit verursacht wird, verliert der einzelne Beitrag im Rechtssystem an Bedeutung. Das stellt Kläger wie Lliuya vor große Hürden.

Autor

Michael Göger, LL.M.

Michael Göger, LL.M.

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