News | Newsletter | Neues zum Immobilienrecht 02/2019
Keine Anwendung der Mietpreisbremse - zum erforderlichen Umfang von Modernisierungen bei Bestandswohnungen
LG Berlin, Urteil vom 23.05.2019 – 65 S 25/18
Das Gesetz sieht bekanntlich in § 556f BGB vor, dass die Mietpreisbremse unter bestimmten Voraussetzungen nicht greift. Zum einen findet die Mietpreisbremse bei sämtlichen Vermietungen keine Anwendung, wenn die Mietwohnung erstmals nach dem 01.10.2014 genutzt und vermietet wird („Neubauwohnung“). Zum anderen ist die Anwendung der Mietpreisbremse für die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung ausgeschlossen. Mit der zweitgenannten Alternative, in Bezug auf welche regelmäßig die Frage zu beantworten ist, wann eine Modernisierung als umfassend anzusehen ist, hat sich das Landgericht Berlin vorliegend befasst.
Das Urteil des Landgerichts Berlin konkretisiert die inhaltlichen Anforderungen, welche an eine umfassende Modernisierung im Sinne des § 556f S. 2 BGB zu stellen sind. Demnach ist im Hinblick auf die Modernisierungsmaßnahme neben einem quantitativen (Kosten-) Element in gleichberechtigter Art und Weise auch ein qualitatives Element als Kriterium zu berücksichtigen. Auch wird noch einmal klargestellt, dass Instandhaltungsmaßnahmen hierbei nicht zu berücksichtigen sind.
Für die Erfüllung des erforderlichen Kostenelements besteht Einigkeit darüber, dass die (Modernisierungs-) Investition mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Kostenaufwandes erreichen muss (vgl. nur: BGH, Urt. v. 10.08.2010, Az. VIII ZR 316/09). Dem schließt sich auch das Landgericht Berlin im vorliegenden Urteil an. Geht man beispielsweise von Neubaukosten in Höhe von ca. EUR 2000 / m² für eine Wohnung aus, wären für eine 75 m² große Wohnung Modernisierungskosten in Höhe von mindestens EUR 50.000 erforderlich. Dabei ist die genaue Höhe der Neubaukosten regional bedingt und im Zweifel durch einen Gutachter zu bestimmen.
In qualitativer Hinsicht sind die Auswirkungen der Modernisierungsmaßnahmen auf die gesamte Wohnung zu berücksichtigen. Demnach müssen in mehreren wesentlichen Bereichen (insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallation bzw. energetischen Eigenschaften) Verbesserungen eingetreten sein (so auch Börstinghaus in: Schmidt- Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 556f BGB Rn 20). Dadurch bekräftigt das Landgericht Berlin noch einmal die Anforderung, dass regelmäßig ein solcher Zustand erreicht werden muss, der einem Neubau in etwa entspricht (vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 32).
Klarzustellen ist dabei, dass die umfassende Modernisierung nicht durch eine einzige Maßnahme verwirklicht werden muss. Entscheidend ist nur der Zustand bei der Erstvermietung und ob dieser im Wesentlichen einer Neubauwohnung entspricht (vgl. Börstinghaus in: Schmidt- Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 556f BGB Rn 20a).
Das Landgericht betont ferner, dass reine Instandsetzungsarbeiten schon begrifflich nicht als eine Modernisierungsmaßnahme zu klassifizieren und dementsprechend weder dem Kostenaufwand hinzuzurechnen sind, noch ein qualitatives Merkmal erfüllen können (LG Berlin, Urt. v. 23.05.2019, Az. 65 S 25/18). Die Abgrenzung zwischen Modernisierung und Instandsetzung richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls.
Eine Modernisierung in wesentlichen Bereichen bejaht das Landgericht beispielsweise bei der Erneuerung der Elektroinstallation (Verstärkung, Sicherheit, Verlegung unter Putz), dem Ersatz der alten Gasetagenheizung durch ein modernes Gerät, Grundrissänderungen (modernes Bad, größere Küche) und dem Einbau von Energiesparfenstern. Bei einem schlichten Austausch von Versorgungsleitungen hingegen verneint das Landgericht eine Modernisierung, da damit keine Verbesserung des Wohnwertes einhergeht.
Im Ergebnis verneinte das Landgericht Berlin in seinem Urteil eine umfassende Modernisierung im Sinne des § 556f S. 2 BGB, da nach seiner Ansicht ein Drittel der erforderlichen Neubaukosten nicht erreicht wurde. Hierbei beurteilte das Landgericht jede einzelne Baumaßnahme und setzte die jeweiligen Kosten, sofern eine Modernisierung bejaht wurde, den Modernisierungskosten hinzu.
Fazit:
Das Urteil des Landgerichts Berlin führt noch einmal vor Augen, dass es zur Verwirklichung einer umfassenden Modernisierung im Sinne des § 556f S. 2 BGB eines erheblichen quantitativen und qualitativen Aufwandes bedarf.
Darüber hinaus sollten Vermieter und Investoren stets darauf achten, dass sowohl der Alt-, als auch der Neuzustand nach Durchführung der Modernisierung sowie die dabei entstandenen Kosten genauestens dokumentiert werden. Ansonsten kann es im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu erheblichen Beweisschwierigkeiten kommen.
Werden die Anforderungen an eine umfassende Modernisierung durch die Vermieter erfüllt, so dürfen diese auch weiterhin eine den Investitionen angemessene Miete vereinbaren. Die Investition kann sich auszahlen: bei nachfolgenden Mietverträgen dürfen dann die Mieten der Erstvermietung vereinbart werden (§ 556e Abs. 1 S. 1 BGB).
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