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Darf der Auftraggeber grundsätzlich eine Mindestpunktzahl für die Erreichung von Qualitätskriterien festlegen?

VK Südbayern, Beschluss vom 21.12..2018 – Z3-3-3194-1-32-09/18

Die Vergabestelle (VSt) schrieb im Juni 2018 in einem offenen Verfahren die Vergabe von Aufsichts-und Bewachungsdienste aus. Als Zuschlagskriterien bestimmte die VSt zum einen den Angebotspreis (60%) und zum anderen die Qualität (40%), aufgeteilt in folgende Unterkriterien: auftragsbezogener Implementierungsplan (10%), auftragsbezogenes Reklamationsmanagement(15%) und auftragsbezogenes Schulungskonzept (15%). Die letztgenannten Konzepte sollten mit jeweils 0 bis 5 Punkten bewertet werden. Die VSt behielt sich vor, Angebote, die in einem der Unterkriterien zwei oder weniger Punkte erhalten, auszuschließen.

Die Antragstellerin (ASt) reichte fristgerecht ein Angebot ein. Dieses wurde ausgeschlossen, weil es nicht den niedrigsten Preis hatte und zudem aufgrund von Defiziten bei den Konzepten Punktabzug erhielt (jedoch nie weniger als drei Punkte). Dagegen wendet sich die ASt nach erfolgloser Rüge im Nachprüfungsverfahren, und zwar unter anderem mit der Begründung, dass es gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot verstoße, wenn die Bieter nicht eindeutig erkennen können, ob sie bei einer Bewertung mit 0, 1 oder zwei Punkten ausgeschlossen werden.

Der Nachprüfungsantrag bleibt erfolglos. Nach Ansicht der VK Südbayern liegt zwar tatsächlich ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, jedoch wirkte sich dies nicht auf die Auftragschancen der Antragstellerin aus. Denn diese hatte schon nicht das Angebot mit dem besten Preis-Leistung-Verhältnis abgegeben. Auf einen Vergaberechtsverstoß nach §97 Abs. 6 GWB kann sie sich deswegen nicht berufen. In der Begründung erklärt die VK Südbayern jedoch nebenbei, dass es dem Auftraggeber grundsätzlich freisteht, in den Vergabeunterlagen eine Mindestpunktzahl für die Erreichung von Qualitätskriterien festzulegen. In dem hier zu entscheidenden Fall verstieße der Auftraggeber jedoch gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz. Denn bei der Formulierung von Zuschlagskriterien müssen die Grundsätze von Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung gewährleistet werden, insbesondere dann, wenn die Schlechterfüllung von Zuschlagskriterien zum Angebotsausschluss führen soll. Dies sei jedoch nicht gewährleistet, so die VK Südbayern, wenn der Auftraggeber sich den Ausschluss lediglich vorbehält und somit einen willkürlich ausfüllbaren Entscheidungsspielraum für die Zuschlagserteilung schafft. Es sei immer vorab festzulegen sei, ob das Nichterreichen einer Mindestpunktzahl zum Ausschluss eines Angebotes führe. Ein nachträgliches Ermessen darüber, ist mit dem Transparenzgebot nicht vereinbar.

Die VK Südbayern geht hier wie selbstverständlich davon aus, dass der Auftraggeber befugt sein soll, eine Mindestpunktzahl hinsichtlich der technischen Bewertung festzulegen. Zur Begründung beruft sie sich auf das Urteil des EuGH (Rs. C-546/16), und lässt das (formale) deutsche Vergaberecht außen vor. Der EuGH hat in seinem Urteil jedoch „lediglich“ entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften, die es dem Auftraggeber gestatten hinsichtlich der technischen Bewertung Mindestbedingungen festzulegen, nicht gegen die europäische Richtlinie 2014/24/EU verstoßen. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch noch nicht, dass die Richtlinie selbst dem Auftraggeber grundsätzlich gestattet, Mindestbedingungen für die technische Bewertung festzulegen und Angebote bei Schlechterfüllung auszuschließen. Die Prüfung und Wertung der Angebote erfolgt im Vergabeverfahren nach einem streng formalen stufenweisen Verfahren. Angebote dürfen im Vergabeverfahren grundsätzlich nur in bestimmten – geregelten – Fällen ausgeschlossen werden. Und rein formal betrachtet ist die Formulierung einer Mindestpunktzahl jedenfalls grundsätzlich kein formaler Ausschlussgrund im Sinne des Vergaberechts.

Autor

Sandra Jurke

Sandra Jurke

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