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Abändern von Vorgaben VK Bund: Nachträgliches Absenken zu hoher Vorgaben möglich, wenn alle Bieter rechtzeitig informiert werden

 VK Bund, Beschluss vom 13.02.2019 – VK 2 – 118/18

Grundsätzlich sollen die Vergabeunterlagen von vornherein alle Angaben und Anforderungen umfassen, welche erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Mit Beschluss vom 13.02.2019 (VK 2 – 118/18) hat sich die VK Bund damit auseinandergesetzt, wann der Auftraggeber seine zunächst gestellten Anforderungen abändern kann. Im Ergebnis stellte die Vergabekammer fest:

„Der Auftraggeber kann seine Vorgaben abändern, wenn er in Ansehung der Angebote erkennt, dass eine Vorgabe, die den Handlungsspielraum der Bieter einschränkt, nicht erforderlich ist, er also ohne Not zu hohe Anforderungen gestellt hat.“

Der Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb einen Lieferauftrag aus. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbes wurden, wie bereits bei Bekanntmachung vorgesehen, drei geeignete Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert. Hierzu waren diverse Formblätter einzureichen, u. a. zur Darlegung eines wirtschaftlichen Konzeptes. Teil dieses wirtschaftlichen Konzeptes sollte wiederum ein Finanzierungskonzept sein. Der Bieter sollte in letzterem darlegen, wie der im Rahmen der Leistungserbringung entstehende Finanzmittelbedarf gedeckt werden würde.

Der Auftraggeber machte für diese Darlegung detaillierte Vorgaben und forderte von den Bietern u. a. die Vorlage von Finanzierungsbestätigungen etwaig eingebundener Fremdkapitalgeber, welche keine allgemeinen oder besonderen Gremienvorbehalte sowie keine Due-Diligence-Vorbehalte oder sonstige Vorbehalte jeglicher Art beinhalten durften.

Nach Angebotsabgabe kam es hinsichtlich des eingereichten Finanzierungskonzeptes zu mehreren Aufklärungsgesprächen mit Bieter A. Dieser konnte nur ein solches Konzept vorlegen, welches bezüglich etwaiger zu gewährender Darlehen unter diversen Vorbehalten stehen würde. Vor diesem Hintergrund prüfte der Auftraggeber erneut die von ihm gestellten Anforderungen dahingehend, ob diese zur Erreichung einer ausreichenden Sicherheit bezüglich der Finanzierung erforderlich waren. Im Ergebnis stellte der Auftraggeber fest, dass das Konzept des Bieter A eine ausreichende Sicherheit hinsichtlich einer etwaigen Finanzierung darstellt, auch wenn nicht jede der detailreichen Vorgaben der Vergabeunterlagen erfüllt worden sind.

Nachdem der Bieter B im Wege der Vorabinformation darüber informiert wurde, dass sein Angebot keinen Erfolg haben würde, beantragte dieser ein Nachprüfungsverfahren. Dies begründete er u. a. damit, dass der Bieter A kein Finanzierungskonzept vorgelegt habe, welches die ursprünglich gestellten Anforderungen erfüllt.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer untersagte zwar dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung zu Gunsten von Bieter A, diese aber im Wesentlichen nicht wegen einer nachträglichen Änderung der Vorgaben, sondern wegen der Verletzung des Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatzes, § 97 Abs. 1 GWB.

Die Vergabekammer legte die ursprünglichen Unterlagen aus Sicht des objektiven Empfängerhorizontes eines potentiellen Bieters aus und stellte fest, dass die zunächst im Hinblick auf das darzulegende Finanzierungskonzept gestellten Anforderungen zwingend waren. Diese Anforderungen hatte Bieter A durch Vorlage seines teilweise unter Vorbehalten seitens der Fremdkapitalgeber stehendes Konzept nicht erfüllt.

Das Fremdfinanzierungskonzept war Teil der Vergabeunterlagen i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 2 VgV. Wegen der Abweichung von den Vergabeunterlagen wäre daher ein Ausschluss des Angebotes des Bieters A gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV durchaus denkbar gewesen. Die Vergabeunterlagen sind nach Auffassung der Vergabekammer eindeutig gewesen und der Bieter hat erkennen können, dass sein Konzept den Anforderungen nicht genügt. Er hätte die Vorgaben des Auftraggebers schon während der Angebotsfrist thematisieren müssen z. B. im Wege einer Bieterfrage.

Der Auftraggeber hat sich jedoch nicht für einen Ausschluss, sondern für eine Absenkung und Abschwächung der Vorgaben entschieden. Nach Auffassung der Vergabekammer ist auch dies eine vergaberechtlich zulässige Handlungsoption.

Er hat angesichts des Finanzierungskonzepts des Bieters A erkannt, dass die dezidierten und detaillierten Vorgaben und Nachweispflichten nicht erforderlich waren, um Sicherheit bezüglich der Finanzierung, insbesondere in der Vorleistungsphase, zu erlangen.

Es war zulässig, dass der Auftraggeber seine Anforderungen herabgestuft hat. Die Vergabekammer geht davon aus, dass die Annahme, dass ein Auftraggeber in Vorbereitung eines Vergabeverfahrens alle Eventualitäten - hier in Form von möglichen Finanzierungsvarianten, welche die Bieter wählen möchten - vordenken und bereits in die Vergabeunterlagen einarbeiten kann, unrealistisch ist, gerade bei einem so komplexen Projekt wie dem vorliegenden. Dem Auftraggeber muss daher ein gewisser Freiraum zugebilligt werden, seine Vorgaben abzuändern, wenn er in Ansehung der Angebote erkennt, dass eine Vorgabe, die den Handlungsspielraum der Bieter einschränkt, nicht erforderlich ist, er also ohne Not zu hohe Anforderungen gestellt und damit möglicherweise gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstößt.

Das Vorstehende ändert jedoch nichts daran, dass der Auftraggeber ebenfalls den sich aus § 97 Abs. 1 GWB ergebenden Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz beachten muss. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber nicht alle Bieter über die Änderung der Vorgaben informiert, sodass sich diese nicht auf diese Änderung einstellen konnten.

Darin liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, weil das Vertrauen der Bieter dahin, dass alle Wettbewerbsteilnehmer gleichermaßen über angebots- bzw. kalkulationsrelevante Änderungen informiert werden, die während des Vergabeverfahrens vorgenommen werden, verletzt wird.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nach Auffassung der Vergabekammer vor, weil Auswirkungen durch die geänderten Vorgaben auf die Preisgestaltung denkbar sind und wegen der erheblichen Gewichtung des Preiskriteriums, somit auf die Zuschlagschancen. Wenn die anderen Bieter rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt worden wären, dass eine Finanzierungszusage des Fremdkapitalgebers trotz geplanter Fremdfinanzierung unter Umständen nicht erforderlich ist, so hätten sie ihr Konzept (ebenso wie der Bieter A) darauf ausrichten können, z. B. indem ein Kredit eines anderen Fremdkapitalgebers zu einem günstigeren Zinssatz in Anspruch genommen hätten und damit letztendlich günstigere Preise hätten kalkuliert können.

Praxishinweise

Die Vergabekammer setzt sich mit der Problematik der nachträglichen Änderung der Vorgaben differenziert auseinander. Das so gefundene Ergebnis überzeugt und deckt sich mit der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 02.05.2018, Verg 3/18; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.09.2016, Verg 7/16).

Es soll dem Auftraggeber stets die, im Vergleich zu einer Aufhebung ohnehin mildere, Möglichkeit der Verbesserung der Vergabeunterlagen zustehen.

Zu achten ist jedoch darauf, dass ein solches Vorgehen transparent und für alle Bieter gleich ist. Die Bieter sind darüber, dass und in welcher Weise die Anforderungen geändert wurden, in Kenntnis zu setzen und ihnen ist eine angemessene Fristverlängerung zu gewähren, damit sie sich hierauf einstellen können.

 

Autor

Andreas Rosenauer

Andreas Rosenauer

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