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Keine Akteneinsicht bei substanzlosem Vortrag

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2020 – Verg 10/18

Antragssteller müssen im Nachprüfungsverfahren positive Kenntnis von den behaupteten Vergaberechtsverstößen haben. Ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen im Nachprüfungsverfahren begründen keinen Akteneinsichtsanspruch.

Der Sachverhalt

Der Antragsgegner, eine kommunale Gebietskörperschaft, beabsichtigt die Direktvergabe von Busverkehrsleistungen an die Beigeladene, die als Verkehrsunternehmen zu 100 % in kommunalem Eigentum steht. Der Antragsgegner ist zu 12,5 % an der Beigeladenen beteiligt. Als die Antragstellerin durch die veröffentlichte Vorinformation von der geplanten Vergabe erfuhr, erklärte sie ihr Interesse an dem Auftrag und erkundigte sich nach den Gründen für die beabsichtigte Direktvergabe. Nach Rückmeldung des Antragsgegners rügte die Antragstellerin neun Vergaberechtsverstöße. Dem im Nachprüfungsverfahren vor der VK Rheinland geltend gemachten Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen und den Antragsgegner zu verpflichten, statt einer Direktvergabe ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen, gab die VK statt. Der Antragsgegner legte sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein. Dort ruhte das Verfahren zunächst auf Grund zweier Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH (vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2019 – C 266/17 und 267/17). Auf Anforderung des OLG legte der Antragsgegner seine Vergabeakte vor, die u.a. einen als vertraulich gekennzeichneten "Wirtschaftsplan 2019" der Beigeladenen enthielt. Die Antragstellerin beantragte sodann Akteneinsicht in diesen Teil der Vergabeakte. Der Antragsgegner beantragte die Zurückzuweisung des Akteneinsichtsantrags und wies auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Wirtschaftsplans 2019 wegen darin enthaltener Geschäftsgeheimnisse hin.

Die Entscheidung

Der Akteneinsichtsantrag der Antragstellerin ist nicht begründet. Der Akteneinsichtsanspruch aus § 165 Abs. 1 GWB ist nach dem OLG Düsseldorf zwar gänzlich voraussetzungslos zu gewähren, die Beschleunigungsbedürftigkeit von Vergabenachprüfungsverfahren stehe ihm jedoch grundsätzlich entgegen.

Ausnahmsweise wäre ein Anspruch auf Akteneinsicht begründet, wenn die Antragstellerin tatsächliche Anhaltspunkte für Vergaberechtsverstöße vorgetragen hätte. Der Sachvortrag müsse begründend, beachtlich und entscheidungserheblich sein, was jedoch der Antragstellerin nicht gelungen sei. Der erkennende Senat am OLG Düsseldorf verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Anspruch auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion habe. Hiernach ist es unzulässig, ins Blaue hinein Fehler oder mögliche Vergaberechtsverstöße in der Hoffnung zu rügen, mithilfe von gewährter Akteneinsicht zusätzliche Informationen zur Untermauerung bislang substanzloser Mutmaßungen zu erhalten.

Auch die grundsätzliche Darlegungslast des Antragsgegners bezüglich der Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe (§ 108 GWB) ergebe keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Vergabeakten. Den Inhalt der Vergabeakte zu prüfen, bleibe der Nachprüfungsinstanz vorbehalten.

Ergänzend weist das OLG Düsseldorf darauf hin, dass auch bei substantiiertem Sachvortrag ein Akteneinsichtsanspruch nicht ohne weiteres gegeben wäre. Der hier den Antragsgegner interessierende Wirtschaftsplan 2019 der Beigeladenen war als Geschäftsgeheimnis gekennzeichnet. Auch dies hätte einem Akteneinsichtsanspruch der Antragstellerin als wichtiger Grund im Sinne von § 165 II GWB entgegengestanden.

Praxishinweise

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf macht deutlich, wie essentiell substantiierter Parteienvortrag im Nachprüfungsverfahren ist. Ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen im Nachprüfungsverfahren sind unzulässig und unbeachtlich. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht als Instrument zur Suche von Vergaberechtsverstößen. In diesem Sinne steht das OLG Düsseldorf in einer Linie mit Entscheidungen weiterer Oberlandesgerichte und auch des BGH (BGH, Beschl. v. 26.09.2006 – X ZB 14/06; OLG Naumburg, Beschl. v. 01.06.2011 – 2 Verg 3/11; OLG München, Beschl. v. 08.11.2010 – Verg 20/10). Ein Antragssteller muss vielmehr bereits positive Kenntnis vom tatsächlichen Sachverhalt als auch von dessen rechtlicher Bedeutung haben (vgl. auch OLG Dresden v. 23.04.2009 – WVerg 11/08). Da in der Praxis aber gerade diese positive Kenntnis regelmäßig schwierig bis unmöglich zu erlangen ist, empfiehlt es sich umso mehr, die vergaberelevante Rechtsprechung heran zu ziehen. Bei gefestigter Rechtsprechung können mögliche Vergaberechtsverstöße sehr viel eher identifiziert werden als bei noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfragen.

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