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Keine Vergabe mehr nach HOAI!

VK Bund, Beschluss vom 30.08.2019, VK 2-60/19

  1. Nach der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (IBR 2019, 436) ergibt sich für einen öffentlichen Auftraggeber das Verbot, die EU-rechtswidrigen Vorschriften der HOAI bei der Vergabe von Planungsleistungen als Zuschlagskriterien anzuwenden.
  2. Es steht nicht zur Disposition des Auftraggebers und der Bieter, die Entscheidung des EuGH als nicht relevant zu qualifizieren. Auch wenn alle Beteiligten einer Vergabe „nach Mindestsätzen“ zustimmen, leidet die Vergabe unter einem Rechtsverstoß, den die Nachprüfungsinstanzen unabhängig von einer Rüge verfolgen müssen.

Die Antragsgegnerin (AG) hat vor Erlass des EuGH- Urteils vom 04.07.2019 Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterien bestimmte die AG den Preis mit 30 und die qualitativen Wertungskriterien mit 70 Gewichtungspunkten. Das anzubietende Honorar war zu 35 % HOAI-gebunden und zu 85 % frei vereinbar. Alle Bieter haben ein Honorar angeboten, das den HOAI-Mindestsätzen entspricht.

Nach Zuschlagserteilung kommt es zu einem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Bundes (VK). Der zweitplatzierte Bieter rügt die Bewertung der qualitativen Zuschlagskriterien. In der mündlichen Verhandlung hat die VK darauf hingewiesen, dass die Rüge des zweitplatzierten Bieters zwar unbegründet sei, die AG die Vergabeunterlagen jedoch dennoch ändern müsse. Nach dem HOAI-Urteil des EuGH sei es nicht mehr zulässig, Honorarangebote zu verlangen und zu werten, die den Mindestsätzen der HOAI entsprechen müssen. AG, Bestbietender und zweitplatzierter Bieter wenden dem einhellig entgegen, dass die Wertung des Preises unbeachtlich sei, weil diese nicht gerügt wurde.

Dieser Auffassung erteilt die VK eine klare Absage. Das Vergabeverfahren leide an einem erheblichen Vergabeverstoß. Die AG hätte nach der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019, in der die HOAI- Mindest- und Höchstsätze als europarechtswidrig festgestellt wurden, ihre Vergabeunterlagen entsprechend anpassen müssen. Nach Ansicht der VK ist die Frage der Vereinbarkeit der anzuwendenden Rechtsvorschriften und die daraus resultierende Nichtanwendbarkeit keine Frage der Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 GWB, sondern eine zwingende Folge des Anwendungsvorrangs des insoweit einschlägigen EU-Rechts. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zulässig, ein Vergabeverfahren auf Basis der HOAI zu Ende zu führen, auch wenn es vor dem Erlass des EuGH-Urteils begonnen wurde.

Die VK gibt daher der AG auf, ihre Vergabeunterlagen entsprechend zu ändern und den Bietern Gelegenheit zu geben, neue Angebote einzureichen.

Fazit:

Die VK nimmt zumindest den öffentlichen Auftraggebern die Unsicherheit, wie mit der EuGH-Entscheidung zu den HOAI- Mindest- und Höchstsätzen umzugehen ist. Die VK hat sehr deutlich gemacht, dass sich aus der EuGH- Entscheidung das Verbot für öffentliche Auftraggeber als Exekutive ergibt, die EU-rechtswidrigen Vorschriften der HOAI bei der Vergabe von Planungsleistungen anzuwenden. Somit folgt die VK der Empfehlung des Bundes, dass staatliche Stellen die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze bereits vor einem Umsetzungsakt, d. h. ab sofort nicht mehr anwenden dürfen (vgl. Informationsschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums vom 04.07.2019 sowie Informationsschreiben des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat vom 05.08.2019). Danach ist ein Verstoß gegen Mindest- und Höchstsätze der HOAI auch kein Ausschlussgrund mehr im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 VgV.

Vergabeverfahren für Planungsleistungen können jedoch weiterhin auf Basis der HOAI durchgeführt werden, wenn der AG klar stellt, dass die Bezugnahme auf die HOAI lediglich orientierenden Charakter hat. Bei erheblichen Abweichungen des Honorarangebotes von der üblichen Vergütung und/oder dem Gebührenrahmen der HOAI wird der AG in Nachverhandlungen/Aufklärungen eintreten und unter-/überpreisige Angebote ausschließen können.

Wie die EuGH-Entscheidung zwischen Privaten zur Anwendung kommt, bleibt weiterhin ungewiss und wird aufgrund der divergierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte vom BGH zu klären sein.

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